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Der Babylon Code

Der Babylon Code

Titel: Der Babylon Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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die Hintergründe erläuterte.
    Während Forster über mögliche Gegenmaßnahmen sinnierte, musterte Chris seinen Auftraggeber kritisch. Forster war über sechzig Jahre, aber er sah aus wie ein Greis.
    Von seiner früheren Vitalität war nichts geblieben. Er war klapprig, schaukelte selbst im Sitzen unbeholfen hin und her und stützte sich auf den fein geschnitzten Krückstock. Beim Reden rasselte sein Atem, manchmal wirkte er zerstreut, suchte nach dem Gesprächsfaden.
    Chris war entsetzt. Das Gesicht des Grafen war eingefallen, ausgemergelt, grau, kraftlos, die Haare strähnig. Der Zerfall des Mannes tat ihm weh, weil sich zwischen ihnen, ohne dass sie je darüber gesprochen hatten, fast so etwas wie Vertrautheit entwickelt hatte.
    »Sehen Sie mich nicht so an«, murmelte Forster. »Ich weiß, wie wackelig ich wirken muss. Was Sie noch nicht mal ahnen: Ich fühle mich noch viel elender, als ich aussehe.«
    Chris sah Forster fragend an, der böse lächelte.
    »Sie wissen nicht viel über mich. Ich weiß viel mehr über Sie, richtig?«
    Chris nickte und trank einen Schluck Rotwein. Mit all seinen Fragen und Kommentaren hatte er doch nie die unsichtbare Grenze übertreten, die Forster um sein Leben aufgebaut hatte
    und die immer dann erreicht war, wenn er einfach keine Antwort auf Chris’ Fragen gab.
    Forster war da ganz anders, er hatte immer ungeniert Fragen gestellt, penetrant nachgehakt und Chris Details entlockt, die sonst ein Auftraggeber nie erfahren würde. Chris sah in seiner Offenheit mit einen Grund, warum der Graf ihn immer wieder für Jobs heranzog.
    »Dies wird der letzte Auftrag sein, den Sie für mich ausführen. Sie werden mir helfen, Buße zu tun. Und dann werde ich diesem Jammertal den Rücken kehren.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Chris überkam eine unangenehme Spannung, die er so noch nie in der Gegenwart des Grafen gespürt hatte. Sein Nacken war mit einem Schlag steif und die Muskelstränge hart wie Stahlseile.
    »Natürlich nicht.« Forster lachte keuchend und sah Chris mit seinen blassblauen Augen durchdringend an. »Morbus Parkinson. Sie haben bei mir Parkinson festgestellt. Sie sehen ja selbst, mein Körper zerfällt unaufhaltsam.«
    Chris schlug die Augen nieder.
    »Ich kenne mich da nicht so aus…«
    »Eingeschränkte Motorik, unkontrollierte Körperreaktionen, frühzeitige Vergreisung der schlimmsten Art. Am Ende völlige Hilflosigkeit, vollkommene Bewegungslosigkeit. Ganze Gehirnregionen sterben ab. Scheißleben!«, krächzte Forster erregt. »Noch bin ich geistig voll da, aber Depressionen, Psychosen und Demenz haben ihre Kundschafter schon ausgesandt. Ich verstecke mich zwar vor ihnen, aber bald werden sie mich gefunden haben.«
    Chris wartete und schwieg. Forsters plötzliche Erregung ebbte nur langsam ab. Chris ahnte eine unangenehme Woche und fragte sich, ob er neben seinen eigenen Problemen auch noch die seines Auftraggebers verkraften wollte.
    »Daher habe ich beschlossen, Buße zu tun und dann zu sterben.«
    Als Chris überrascht den Mund öffnete, hob Forster schlaff die rechte Hand.
    »Kein Wort zu meiner Entscheidung. Ich erzähle Ihnen das nicht, damit Sie es kommentieren. Ich will nur erklären…«
    ». . . aber…«
    »In der Schweiz gibt es zum Glück Sterbehilfeorganisationen, die einem dabei helfen, den Wunsch nach dem eigenen Tod in angemessener Weise zu erfüllen. Das alles ist eingeleitet und vorbereitet.«
    »Man geht nicht so einfach von dieser Welt«, murmelte Chris nach einer Weile.
    »Ich schon.« Forster lachte böse auf. »Es ist entschieden, und ich will nicht weiter mit Ihnen darüber diskutieren. Ich habe Ihnen das nur gesagt, damit Sie besser verstehen, was ich von Ihnen will. Mit mir geht es rapide abwärts. Jeden Tag wird es schlimmer. Die Pillen, mit denen ich durchhalte, sind reine Wasserstoffbomben. Trotzdem helfen sie immer nur eine gewisse Zeit und kompensieren längst nicht mehr alle Ausfälle.«
    Chris starrte Forster an. Es gab in diesem Moment nichts Vernünftiges, was er sagen konnte. Der Mann hatte ein ganzes Leben hinter sich, und es schien, dass er immer gewusst hatte, was er tat.
    »Ich will nicht in den Zustand kommen, vollkommen hilflos ans Bett gefesselt zu sein, während in meinem Kopf Psychosen den letzten klaren Gedanken zerfressen. Verstehen Sie das?«
    Ihre Blicke verhakten sich.
    Die Leere in Forsters reglosen Augen war unendlich. Obwohl sie sich anstarrten, sahen sie sich nicht. Nach einer Weile zuckten Forsters Augenlider und

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