Der Babylon Code
Stoffgruppe in Organismen. Mehr als zehntausend Proteine wirken im menschlichen Organismus. Strukturproteine, Transport-und Speicherproteine. Proteine, die als Antikörper dein Immunsystem bilden und Eindringlinge eliminieren.«
Chris grinste. »Ich habe es sofort verstanden. Du beschäftigst dich mit den kleinsten Dingern, die die Biologie zu bieten hat.«
»Mach dich ruhig lustig. Die nächste kleinere Einheit sind die Aminosäuren, aus denen die Proteine zusammengesetzt sind.«
»Von denen habe ich auch gehört«, spöttelte er. »Zwanzig gibt es wohl?«
»Interessiert dich das? Trifft man sonst selten.«
»Ich habe meine Ersparnisse vermehren wollen und deshalb in den Boomjahren des Neuen Marktes alles in Biotechnologieaktien investiert. Meine
Endeavour
hätte ich in zwei Jahren zusammen, hat mein Geldguru damals gesagt.«
»Ach, wieder die berühmte
Endeavour
. Alles futsch?«
»Ein paar schlaue Jungs haben von meinem Geld Reagenzgläser und Pipetten gekauft, gut gelebt, und dann war alles weg.«
»Die Wissenschaft hat große Sprünge gemacht, ist aber längst noch nicht so weit, wie das manchmal in der Öffentlichkeit verkauft wird. Du musst dir das wie mit dem Weltall vorstellen. Es sind ein paar Galaxien entdeckt worden, man kann bis zu einem bestimmten Punkt sehen und manche Dinge erklären. Aber den wirklichen Umfang dessen, was wir da erforschen, ahnen wir nicht einmal. Woher auch?«
Sie stand auf und stellte ihre Tasse in die Spüle, räumte Butter und Marmelade in den Kühlschrank.
»Ich muss bald los…«
Er nickte und half ihr beim Abräumen.
»Wie meinst du das?«, fragte er nach einer Weile.
»Bis vor nicht allzu langer Zeit dachte die Wissenschaft, die Gene seien das alles Bestimmende. Heute wissen wir, dass die Proteine und die Variationen der Aminosäuren eine weitaus größere Rolle spielen als angenommen. Nimm Schlangen zum Beispiel…«
»Schlangen?«
»Ja, ihr Gift. Erst vor kurzem hat man entdeckt, dass ihr Gift aus einer ganz bestimmten Kombination ihrer Aminosäuren besteht, die sie in sich tragen. Oder nimm Bakterien. Bisher galt als feststehende Regel: Bakterien altern nicht. Jetzt wissen wir: Auch Bakterien altern. Wie alles Leben.«
»Ich verstehe, was du sagen willst.«
Sie standen nebeneinander an der Spüle. Er wusch die Tassen und Frühstücksteller ab, die sie abtrocknete. Mehrmals berührten sie sich mit den Oberarmen. Plötzlich sah er, wie sich der Flaum auf ihren Armen wie elektrisiert aufrichtete. Seine eigene Erregung ließ ihn kaum noch klar denken.
»Wir fangen erst an. Wir haben die Tür erst einen ganz kleinen
Spalt aufgemacht. Wie sollen wir da verstehen, mit Sicherheit sagen, dass dieses so und so ist und jenes so und so.«
»Sehen wir uns wieder?«
»Beim
Warum
fangen wir erst an. Selbst bei vielen der heute verkauften Medikamente wissen wir manchmal nur, dass sie diese oder jene Wirkung haben – aber
warum
, das wissen wir nicht.«
Er fasste ihre Hand und zog sie zu sich. Ihr Körper glitt wie von selbst an ihn heran.
»Sehen wir uns wieder?«
»Willst du das?«
Er spürte ihren warmen und biegsamen Körper. Ihn durchflutete unbändiges Verlangen. Sie drückte plötzlich ihren Körper fest an ihn und lächelte. Er roch ihren frischen Duft, und ihre linke Hand im Nacken drückte seinen Kopf noch näher an ihr Gesicht heran.
Ihre Lippen waren halb geöffnet, und die weißen Zähne schnappten plötzlich nach seiner Unterlippe, zupften zärtlich.
»Ja!«, keuchte er und starrte auf das kleine Grübchen an ihrem rechten Mundwinkel. »Ja, unbedingt. Und du?«
»Von der zweiten Minute an.«
Wieder zupften ihre Zähne an seiner Unterlippe. Er stöhnte auf, als sie ihren Unterleib zurückbog.
»Wieso von der zweiten Minute?«
»Psst. Jetzt nicht.«
»Ich denke, du musst los…«
»In zwei Stunden«, sagte sie, und ihre Iris funkelte.
Aber urplötzlich löste sie sich aus seiner Umarmung, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht, suchte in seinen Augen Antworten auf Fragen, die er nicht kannte. Er sah einen geheimnisvollen Schleier, den er sich nicht erklären konnte.
»Bitte – nicht jetzt. Es ist so schwer, und ich würde… es wäre schön, wenn wir uns früher kennen gelernt hätten und du dabei sein könntest… mir helfen… aber…« Ihre Stimme klang verzweifelt. »Wir wollen uns doch wiedersehen… am Samstag, ja? Geht das? Dann ist vielleicht… wir telefonieren…«
»Was ist los?«
»Bitte! Frag nicht… es tut mir leid…
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