Der Babylon Code
Aber die präoperative immunologische Untersuchung war negativ verlaufen. Das Crossmatch aus dem Serum des Empfängers und den weißen Blutzellen des Spenders diagnostizierte eine absolute Unverträglichkeit. Die Transplantation wäre tödlich verlaufen.
Annas letzte Hoffnung war, dass eine Gentherapie ihrem Sohn helfen könnte. »Jasmin, wozu arbeitest du in so einem Unternehmen? Du weißt doch, wie weit ihr seid. Du kannst bestimmt herausfinden, wo Programme laufen mit neuen Medikamenten, die meinen Sohn retten! Bitte! Sonst stirbt er! Und wenn ihr Weihwasser einsetzt – melde uns an. Egal, wo auf der Welt das auch immer passiert.«
Anna hatte geschrien, gedroht, getobt, geweint, sie angefleht, sie umarmt, gedrückt, fast zerquetscht, weggestoßen und war dann mit einem Weinkrampf zusammengebrochen.
Jasmin hatte sich im
Tysabi
-Konzern umgehört und den Kontakt vermittelt. Sie verscheuchte die Erinnerung und hörte wieder die ruhige Stimme, mit der Jacques Dufour seine Fragen stellte.
»Was ist mit dem Vater? Warum steht der nicht zur Verfügung?«
»Kurz nach der Geburt verschwunden. Sein Sohn braucht ihn, und er ist nicht da.«
Annas knirschende Zähne gingen Jasmin durch Mark und Bein.
Jasmin sah unsicher zum Arzt. Dufour kam ihr seltsam nachdenklich, zögerlich vor und starrte immer wieder auf den Tisch.
Dort lag noch unberührt die Einverständniserklärung. Die Unterschriftszeile war mit Punkten markiert. Der kritische Passus unter den juristischen Absicherungen zugunsten der Ärzte war umrandet und fett gedruckt.
»Bevor Sie das unterschreiben, werden wir noch weitere Untersuchungen vornehmen«, sagte Jacques Dufour plötzlich. »Dadurch verzögert sich der Beginn der Therapie um ein paar Tage. Aber ich will ganz sicher gehen.«
Köln Donnerstag
»Wer ist da?«, fragte die weibliche Stimme.
»Professor Söllner?«
»Wer spricht?«
Chris brauchte eine Sekunde, seine Überraschung zu überwinden. »Sagt Ihnen Babylon etwas? Das geplante Treffen am vergangenen Montag in der Früh – es musste leider ausfallen.«
»Wer ist da? Wenn Sie nicht sagen, wer Sie sind, lege ich auf.«
Die Stimmlage war ruhig, entschlossen, konsequent. Das Selbstbewusstsein dieser Frau drang aus jeder Silbe.
»Es geht um die Übergabe der Antiken an das Vorderasiatische Museum.« Chris wartete gespannt auf die Reaktion. Er hörte sie atmen, als laufe sie beim Telefonieren eine Treppe hinauf. Es klickte. Die Leitung war tot.
Chris drückte die Wahlwiederholung. Besetzt.
Er fluchte. Dann lachte er bitter. Wie kam er darauf, dass alles wie am Schnürchen lief? Nach einer halben Stunde hatte er die rauchige Stimme endlich wieder am Telefon.
»Warum legen Sie auf? Wenn Sie wieder auflegen, freut sich der Louvre. Ich habe die Antiken.«
Stille.
»Sie sind nicht derjenige, mit dem bisher verhandelt wurde.«
»Stimmt. Ihr bisheriger Kontakt ist aus dem Deal ausgeschieden. Er hat, sagen wir es mal so, kein Interesse mehr daran. Er hat alle Vollmachten auf mich übertragen.«
Wieder blieb es still am Telefon. Chris grinste zufrieden. Die erste Hürde wurde gerade genommen.
»Gut. Wir können es ja einmal versuchen«, sagte die Professorin schließlich gelassen. »War mein bisheriger Kontakt der Mann, über den seit Tagen so ausführlich in der Schweizer Presse berichtet wird?«
Jetzt blieb Chris einen Moment stumm.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Meinen Sie, der Überfall auf einen Kunsttransport, der assyrische Kostbarkeiten für den Louvre enthielt, würde unbeachtet bleiben? Das war in der Szene in wenigen Stunden rum. Und die Pressekonferenz heute Morgen habe ich auch mitbekommen. Der Überfall auf der A9 – waren Sie das?«
»Nein. Wer immer den Mann auf dem Gewissen hat, hat an der falschen Stelle zugeschlagen. Die Keilschrifttafeln habe ich. Ich habe bisher auf Anweisungen gewartet. Die können nun nicht mehr kommen… aber ich werde meinen Vertragsteil trotzdem erfüllen.«
»Sie wollen sagen, Forsters Fahrt nach Berlin war ein weiteres Ablenkungsmanöver, während tatsächlich Sie die Tafeln transportieren?«
Ja, Frau Professor, denk das ruhig, dachte Zarrenthin.
»Kannten Sie ihn?«
»Forster? Nein. Nicht persönlich.« Sie hüstelte. »Aber er ist mir natürlich als Kunsthändler bekannt. Ein Mann mit mehr als zweifelhaftem Ruf.«
»Und trotzdem wollten Sie von ihm kaufen.«
»Ein legales Geschäft«, sagte sie kalt.
»Was ist nun?«, fragte Chris nach einer Weile. »Jetzt bin ich es.«
»Gehen Sie
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