Der Babylon Code
zur Polizei.«
»Das werde ich nicht tun. Unsere diskrete Branche schaltet die Polizei eher selten ein.«
»Was glauben Sie, wie das aussieht, wenn ich jetzt noch diese…?«
»Ich bin der Eigentümer. Vertraglich fixiert.«
Einen Moment war es still. »Wollen Sie Geld?«
»Ja. Natürlich.«
»Die Orientgesellschaft und seine Förderer sind kein Handelshaus.«
»Und ich bin kein Samariter.«
»Forster wollte uns die Antiken unentgeltlich übertragen.«
»Forster hat mir gesagt, es sei ein Preis ausgehandelt.«
Es lag eine Spannung in der Luft, als übertrage das Handy ein riesiges Kraftfeld.
»Unser letztes Angebot lag bei hunderttausend.«
»Sie sind eine schlechte Lügnerin.« Chris lachte amüsiert auf. »Um es kurz zu machen: Sie haben sich auf zehn Millionen geeinigt. Zu überweisen an UNICEF und UNESCO. Montag früh sollten Sie sich die Antiken ansehen, Dienstag sollten die Überweisungen raus sein, Mittwoch Übergabe. So war der Deal.«
»Was haben Sie zu übergeben?« Die Wissenschaftlerin war keinen Moment überrascht oder entsetzt.
»Sumerische Tontafeln.«
»Gehen Sie zur Polizei, klären Sie das alles. Danach können wir das Geschäft immer noch machen.«
»Die werden alles beschlagnahmen.«
»Eben. Sollen wir etwa zahlen, und dann wird der Fund bei uns beschlagnahmt? Sie überzeugen mich nicht. Die Fundstücke gehören uns ohnehin. Sie wurden uns gestohlen.«
Chris grinste zufrieden. Forster hatte es vorausgesehen.
»Die Schweizer Gesetze sind, was Antiken angeht, grundsätzlich sehr schmugglerfreundlich. Man erwirbt die Antiken gutgläubig, lagert sie fünf Jahre im Zollfreilager, und der Anspruch ist übergegangen. Sie wissen doch, dass die Antiken viel früher in Forsters Besitz gelangten. Das zieht hier schon gar nicht.«
»Es gibt internationale Konventionen.«
»Die UNESCO-Konvention?« Chris lachte spöttisch auf. »Das Kulturgütertransfer-Gesetz? Verjährungsfrist dreißig Jahre. Auch längst vorbei. Außerdem hängt es in vielen Ländern im Gesetzgebungsverfahren. Auch Deutschland hat es bis heute nicht umgesetzt. Aus gutem Grund. Deutschland ist einer der größten Märkte für Antiken. Scheinheiligkeit, wohin man sieht.«
»Was für Vorstellungen haben Sie?«
»Ein einmaliger Kaufpreis von einer Million EURO in Form von zweitausend Fünfhunderter-Scheinen in bar an mich. Mein Angebot gibt es nur einmal. Wenn Sie kein Interesse haben, dann freuen sich der Louvre oder das Britische Museum. Denen war schon immer ein Dorn im Auge, dass mit Koldewey ein Deutscher Babylon ausgegraben hat.«
Wieder war es einen Moment still.
»Haben Sie einen Namen?«
»Rizzi. Wie wäre es damit?«
»Italienisch? Signor Rizzi, Sie sprechen die deutsche Sprache perfekt. Rufen Sie mich morgen Abend noch einmal an.«
»Nein – morgen früh. Denn der Deal steigt morgen oder gar nicht.«
Kapitel 17
Paris
Donnerstagabend
Henry Marvin stand in seiner luxuriösen Hotel-Suite und starrte hinunter auf die Champs-Elysées. Er hatte die Gardinen auseinandergezogen und krampfte die Hände in den Stoff. Nur mühsam konnte er die Wut unterdrücken, die in ihm kochte, seit er die Druckfahnen des kleinen Heftes gesehen hatte, mit dem die
Prätorianer
in Europa ihre Ideen verbreiten wollten.
Am nächsten Mittwoch begann der vom Orden initiierte Kongress in Paris, mit dem die Kampagne in Europa beginnen würde. Dabei sollte auch das kleine Heft mit Argumenten vorgestellt werden.
Der Verleger ging zu seinem Sessel zurück und musterte dabei die feingliedrigen Gesichtszüge von Eric-Michel Lavalle, die durch die Designer-Brille noch unterstrichen wurden. Auf dem dunklen Anzug war kein Fussel zu entdecken, und Marvin kam die Vermutung, dass der Anzug für diesen Mann nichts anderes war als eine Uniform, die ihm Sicherheit und Ausstrahlung gab.
Lavalle war ein junger, feinsinniger Intellektueller, ein Mann des Geistes mit Philosophiestudium und Experte für Alte Sprachen, dem man früh eine große Zukunft vorausgesagt hatte. Mit seinem Förderer, einem Professor, hatte er in den Magazinen des Louvre akkadische Texte über den Thronusurpator Sargon entdeckt und übersetzt. Dieser König hatte in 34 Schlachten den König von Uruk besiegt und dann das Großreich von Akkad begründet, das einhundertsechzig Jahre Mesopotamien beherrscht hatte.
Doch dann war die wissenschaftliche und gesellschaftliche Ächtung wie ein Tornado über Lavalle hinweggefegt. Der junge Mann hatte für gerissene Händler Zertifikate
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