Der Babylon Code
nennen?«
»Bleiben wir bei Rizzi.«
Sie hatte das Treffen in einem weiteren Telefonat am Morgen auf die nächste Woche legen wollen. Chris hatte sich durchgesetzt mit der Drohung, er habe für den Fall der Fälle bereits ein
Treffen am Montag mit einem Vertreter des Britischen Museums vereinbart.
»Also gut – Rizzi. Jetzt haben Sie Ihr Treffen. Wie weiter?« Plötzlich hatte ihre rauchige Stimme einen spöttelnden Unterton.
Chris musterte ihren Begleiter.
»Oh, Entschuldigung.« Sie lächelte gewinnend. »Thomas Brandau. Ein weiterer Freund vorderasiatischer Kunst.«
»Und Priester dazu. Warum sind Sie so nervös?«, fragte Chris. »Gibt es etwas, was Ihnen Sorge bereitet?«
Brandaus Hände klammerten sich an das Glas Weißwein.
»Mir passt diese konspirative Art nicht.«
»Hier ist nichts konspirativ«, sagte Chris trocken. »Ich will lediglich das loswerden, was ein Mann namens Forster mir für Ihren Verein übergeben hat. Nicht mehr.«
»Und was ist das?« Sie schlug die Beine übereinander und legte die Hände gefaltet auf den rechten Oberschenkel, genau an die Stelle, wo der Saum des Rockes auf dem nackten und gebräunten Bein endete.
Chris zwang sich, nicht zu lange hinzusehen, und holte den Rucksack unter dem Tisch hervor. Er zog einen Umschlag heraus, dem er mehrere Fotos entnahm.
»Nur Fotos?« Die Professorin griff nach den Bildern und sah sie kurz an. Gelangweilt reichte sie die Aufnahmen an Chris zurück. »Wenn Sie nicht mehr haben… Sie wollten doch das Treffen…«
»Wir sind in einer recht frühen Phase… Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich die Schätze einfach so mit mir rumschleppe.«
»Mit Forster war ich weiter«, entgegnete sie bissig. »Der hatte mir wenigstens schon eine Abschrift des Textes zukommen lassen.«
»Umso besser.« Chris lachte amüsiert auf. »Dann wissen Sie ja, wie wertvoll die Dinger sind.«
Sie lächelte überlegen und drückte mit der flachen Hand leicht auf die Tischplatte. »Rizzi – oder wie immer Sie heißen mögen: Wissen Sie überhaupt, was Sie da transportieren?«
»Erzählen Sie es mir«, murmelte Chris.
»Die Tafeln sind unbezahlbar, wenn man den Wert für die Kulturgeschichte der Welt bemessen will.«
»Und sie gehören der Deutschen Orientgesellschaft«, mischte sich Brandau ein. Seine Stimme hatte einen vibrierenden Unterton voll ungeduldiger Verachtung. »Denn diese hat die Ausgrabungen in Babylon finanziert, wo die Stücke gefunden wurden. Die Gesellschaft hatte seinerzeit einen rechtsgültigen Vertrag über die Fundstücke geschlossen. Sie können froh sein, wenn wir die Polizei nicht einschalten.«
»Es gibt andere Abnehmer…«
»Na klar gibt es die.« Ramona Söllners nussfarbene Augen blitzten drohend. »Andere Museen, private Sammler. Aber all das wollte Forster ja gerade nicht. Jedenfalls hat er mir das übermitteln lassen.«
»Sie kannten ihn?«
»Nein. Er schickte Boten. Forster selbst ist nie aufgetreten. Aber wir haben mehrere Telefonate geführt.«
»Demnach haben Sie die Keilschrifttafeln noch nicht im Original gesehen?«, fragte Chris, der immer mehr zu der Überzeugung kam, dass Forster ihn mächtig geleimt hatte.
»Nein. Wir kennen bisher nur Fotos. Wenn auch deutlich bessere als die, die Sie da im Umschlag haben. Und wir haben Teile einer Textabschrift und Übersetzung. Haben Sie mehr?«
Chris zögerte, aber ohne Beweise würde er nicht weiterkommen. Er zog die ausgefranste Zeichnung auf dem gelblichen Papier aus dem Rucksack, die er bei den Tafeln gefunden hatte.
Ohne Hast griff Ramona Söllner nach dem Blatt und starrte darauf. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand zeichnete sie Linien auf dem Blatt nach, kam immer wieder zum Kreuz im unteren Teil des Blattes zurück.
»Sie wissen, was das ist?«
»Nein«, sagte Chris. »Keinen blassen Schimmer. Sieht aus wie gedruckt, wie aus einem Buch.«
»Ist es auch.« Sie missachtete die ausgestreckte Hand von Brandau und hielt das Blatt fest. »Das ist ein Lageplan aus dem Buch
Das wieder erstehende Babylon
von 1913. Geschrieben von Robert Koldewey, dem Mann, der Babylon im Auftrag der Deutschen Orientgesellschaft ausgegraben hat. Koldewey hat darin die Ausgrabungsergebnisse dargestellt.« Die Professorin drehte die Zeichnung in ihren Händen.
»Die Legende fehlt… Hier links, das ist der Euphrat. Dies ist die ganze Anlage. Genial aufgenommen und gezeichnet«, sagte sie schließlich.
»Was ist so Besonderes daran?«
»Sie haben wirklich keine Ahnung, was?«,
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