Der Bademeister: Roman (German Edition)
könnte, ist so leer, wie wenn die Finger übers eigene Gesicht fahren, und wissen doch nicht, wie es aussieht. Man vergisst sein eigenes Leben, und viel ist da nicht zu vergessen, denn man könnte es auf eine der Warntafeln schreiben, die gerade genug Platz für einen Satz haben.
Ein einziger Satz bewahrt Sie vor einem Unglück, ein Satz kann ein Menschenleben retten: Gesicht der Leiter zugewandt!
An Wintermorgen ist das Licht weiß und kalt, selbst das Wasser hat keine Farbe, und bleich war Klaus’ Gesicht an diesem Morgen, so bleich und unbewegt wie eine Totenmaske, ich bin der Heizer, wiederholte er und sah mich an, als wäre er erschrocken. Ein kalter Winter war es, der Heizer musste ohne abzulassen Kohle in die Öfen schaufeln, und wo zwei Heizer entlassen waren, wie Klaus mir sagte, wurde nur einer eingestellt, arbeitete für zwei, kam und ging gleichzeitig mit mir, machte keine Pause, und wenn ich oben in der Halle war, wusste ich, dass Klaus unten im Heizungskeller arbeitete, zwischen den Kohlebergen im Hof, den Öfen hin- und herlief, mit Schaufeln und Schubkarren hantierte bis zur Erschöpfung, abends kam er manchmal die Treppen hoch, saß, wenn das Schwimmbecken geschlossen war, auf der einen Bank, die nahe bei den Treppen stand, denn er war, auch wenn er sich geduscht und umgezogen hatte, grau und verschmutzt, und nur an den Tagen, an denen eine Aushilfe ihn ersetzte, kam er nach Hause, bevor seine Kinder schliefen, und zweimal im Monat habe ich am Wochenende frei, sagte er mir.
Ein Jahr lang hat er so gearbeitet. Im Winter hat er angefangen, und im Dezember wurde das Volksbad endgültig geschlossen. Fast jeden Abend kam er, bevor er nach Hause ging, für einen Augenblick zu mir in die Schwimmhalle hinauf.
Ende November bin ich entlassen worden.
Keiner hat mich gewarnt.
Es gibt Papiere, die man unterschreiben muss. Ich habe unterschrieben, dass ich mich einverstanden erkläre, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Ich habe erst danach begriffen, was ich unterschrieben hatte, denn damals konnte ich an die Schließung des ganzen Volks- und Schwimmbades noch nicht glauben, war sicher, es müsste saniert werden. Klaus hat mich nicht gewarnt. Im Nachhinein habe ich begriffen, dass er davon wusste und mit den anderen unter einer Decke steckte.
Fünf Tage nachdem der erste Placken Putz aus der Wand gebrochen war, rief Frau Karpfe mich ins Büro und forderte mich auf, ein Papier zu unterschreiben. Für die Sanierung des Schwimmbads, hat sie behauptet, und dass ich es nicht lesen müsste, nur unterschreiben, dann würden in zwei Tagen Chlor und Flockungsmittel bestellt. Am gleichen Abend verlangte der Hausmeister, ich solle bis neun Uhr im Gebäude bleiben, gab mir den Schlüssel des Seiteneingangs, dachte nicht daran, dass ich das Gebäude durch den Keller verlassen könnte wie sonst auch. Die anderen versammelten sich an der Treppe vor dem Haupteingang, ich stand in der Eingangshalle, und Klaus ging, ohne sich nach mir umzusehen, wortlos an mir vorbei. Hinter ihm zog der Hausmeister die Tür ins Schloss. Inzwischen weiß ich, dass es ihnen gleich war, wie lange ich blieb und wann ich ging. Sie wollten mich nicht mehr mitnehmen, das ist alles.
Ich wusste nicht, dass ich bald darauf das Wasser würde ablassen müssen. Die letzten Tage waren es, die letzten Nächte, in denen das Becken voll Wasser war, aber noch immer glaubte ich, sie würden die Schwimmhalle renovieren.
Zum ersten Mal war es mir unheimlich, allein in dem großen Gebäude zurückzubleiben.
Auch jetzt ist es mir manchmal unheimlich, und ich höre Schritte und Geflüster. Auf der Galerie stehen noch immer die Stuhlreihen, noch immer stehen Holzbänke auf der Tribüne, noch immer ist alles bereit für die Zuschauer, und ich sehe manchmal, dass dort Leute hin und her gehen, sich hinsetzen, hinunterstarren in die Halle.
Bist du schon lange hier? fragte mich Klaus. Du hast ja gar nichts zu tun, sagte er. Guckst du die Frauen an, oder was machst du den ganzen Tag? Sie sagen, du wolltest nicht, dass sich einer die Arbeit mit dir teilt.
Sei froh, sagte er, dass du nicht im Keller bist. Da kommt keiner hin. Den ganzen Tag niemand, mit dem man reden kann.
Glaubst du, sie pinkeln ins Wasser? fragte er. Meine Frau behauptet, ich stinke nach Kohle, ganz gleich, wie gründlich ich mich wasche.
Auf den Sicherheitsventilen unten kann man kochen, sagte Klaus. Du kannst ja mitessen. Gehst du nie schwimmen? fragte er. Kannst du überhaupt schwimmen?
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