Der Bademeister: Roman (German Edition)
Licht nicht wärmt, und selbst wenn die Sonne durch die Wolken scheint, so wärmt sie nicht. Das Morgenlicht gehört nicht uns, zeigt weiße, tote Leiber, ist kein Licht für Menschen, will von der Welt nichts wissen, als gäbe es jeden Morgen wieder den Augenblick vor der Erschaffung der Welt. Jeden Morgen staunte ich, wie glatt das Wasser dalag, konnte mir nicht mehr vorstellen, dass noch gestern Abend, vor ein paar Stunden, Menschen hier waren, wunderte mich, dass auch die Auskleidekabinen leer und verlassen waren, kein Kleidungsstück, kein Badeanzug an sie erinnerte, ich habe diesen Augenblick geliebt, in dem die Menschen mit ihren Geschichten gleichgültig waren, verschwunden wie Wasserspritzer und Ringe auf dem Wasser, die keine Spuren hinterlassen, und sobald das Wasser wieder ruhig liegt, ist es unnahbar.
Morgens, bevor die Badegäste kamen, gehörten das Wasser und die Halle mir allein, ich sah, wie alles über Nacht, von Tag zu Tag unverändert blieb, und wenn sie die Stadt über Nacht weggetragen hätten, so konnte das der Wasseroberfläche nichts anhaben, dachte ich. Durch das klare Wasser sah man bis auf den Grund hinab, durchsichtiger als Glas ist es, und nur wer es genau kennt, spürt an dem Geruch, dass alles aufbewahrt bleibt, weil sich von jedem Körper winzige Teilchen lösen, sich mit dem Wasser verbinden und an den Kacheln und Fliesen haften bleiben. Am Ende findet man alles heraus, und nach der Flucht des alten Bademeisters, dessen Gehilfe ich war, begriff ich, dass er vor dem geflohen war, was er gesehen hatte, und ich nahm seine Stelle ein, sein Leben oder meines, es schien nicht darauf anzukommen, ob er hier war oder ich, der Bademeister war nur einer.
Ich habe lange nicht mehr an ihn gedacht. Ein Kind wäre ihm ertrunken, hieß es erst, kurz darauf, er wäre ein Verbrecher wie mein Vater; der war schon früher Aufseher, aber anderswo, sagte einer und sah mich an dabei, und ich war der Bademeister. Jahrelang hatte ich nicht an ihn gedacht, bis zu dem Tag, an dem Klaus morgens in der dunklen Halle auftauchte, und einen Moment glaubte ich, der alte Bademeister sei zurückgekehrt.
Ich bin der neue Heizer, sagte Klaus, stellte sich neben mich an den Beckenrand und folgte mit seinen Augen meinem Blick.
Mit den Heizern hatte ich zuvor nie gesprochen. Sie gingen durch den Hof zum Keller und kamen nicht hoch in die Schwimmhalle, obwohl sie mit dem Keller durch einen Gang verbunden ist.
Aus dem Dunkel tauchte Klaus auf, ich erschrak, da ich ihn nicht gehört hatte, und er war verlegen, weil er nicht erwartet hatte, vor Öffnung des Schwimmbads jemanden anzutreffen. Aber jeden Morgen stand ich am Rand des Beckens, ohne die große Beleuchtung einzuschalten, schlich mich hinein, denn wenn der Hausmeister mich bemerkte, machte es ihm Vergnügen, laut zu rufen und alle Lichter anzuknipsen. Er lachte anzüglich: Schleichst wohl durch die Frauenkabinen und schnüffelst an den Duschköpfen? Der hat nie eine Frau angefasst! verkündete er laut, wenn eine der Putzfrauen oder Frau Karpfe in der Nähe war, der wird rot, wenn er sich vorstellt, dass die sich nicht nur ausziehen, um zu schwimmen, schaut euch das an, was er für unschuldige Augen macht!
Als eines Morgens im Dunkeln Klaus auftauchte, erschrak ich und dachte, es wäre der alte Bademeister, denn Klaus hatte ich noch nie gesehen. Ich wusste nicht, dass schon jemand hier ist, stammelte er, ich bin der neue Heizer, sagte er, und da ich mich nicht rührte, stellte er sich neben mich.
Keiner, der im Volksbad zu arbeiten begann, ist mir anders als mit Misstrauen begegnet. Es waren immer Frau Karpfe und der Hausmeister, die neue Kollegen einwiesen, mit den anderen bekannt machten, und was sie über mich sagten, weiß ich nicht, es kam darauf nicht an, ich hatte mit den Kollegen nichts zu tun und habe es mir nie gewünscht, mir war es recht, all meine Zeit hier zu verbringen, ich hatte keinen Grund, Gesellschaft zu suchen. Ich wollte mich nicht mit den anderen am Wochenende treffen, denn am Wochenende war ich hier, und für mich gab es die Orte oder Länder auf dem Globus, der immer in meinem Zimmer stand. Jeden Abend sah ich, dass die Erdoberfläche zum größeren Teil von Wasser bedeckt ist, und das Wasser ist überall gleich. Im Schwimmbad war ich so gut wie überall, überall dort, wo Wasser ist.
Ich habe nichts vermisst, es hat mir an nichts gefehlt, und am Ende hat man sein eigenes Leben schon vergessen, hören Sie? Was man darüber sagen
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