Der Bademeister: Roman (German Edition)

nichts geschehen, keiner schien zu bemerken, was geschehen war, und wo alle sich einig sind, war vorher nichts, und nach drei Tagen war die Schwimmhalle nie anders gewesen als verrottet, ein lächerlicher Bau mit Blumenstängeln, die sich die Pfeiler hinaufranken bis zur Galerie, mit veralteten Anlagen, ein Dreck, in dem sie uns verrecken lassen, sagte der Hausmeister hasserfüllt und grinste höhnisch über die wenigen Badegäste, die weiterhin kamen, Läusefänger ohne eigenes Bad. Schick ihn zu den Wannenbädern, schlug der Hausmeister Frau Karpfe vor und meinte mich, er hat vermutlich eh kein Bad zu Hause. Vier Tage lang haben sie mich abends mitgenommen, am vierten Tag gab der Hausmeister mir den Schlüssel zum Seiteneingang, den Schlüssel händigte er mir in Frau Karpfes Namen aus und wies mich an, bis neun Uhr solle ich das Becken offen halten, obgleich er selbst um acht Uhr den Haupteingang schloss, kein Badegast mehr kommen konnte, denn der Eingang war abgeschlossen, die anderen standen in der Halle, zusammen verließen sie das Schwimmbad, und Klaus ging mit, ging blicklos und ohne ein Wort an mir vorbei, ich stand am Haupteingang, die große Tür zog der Hausmeister ins Schloss und drehte den Schlüssel um.

    Ich wache in kurzen Abständen auf, setze mich, ungern verlasse ich diesen Platz, als könnte ich dann nie mehr schlafen, diese Nacht und alle Nächte, die zu unterscheiden mir kaum noch gelingt.
    Vielleicht ist es nicht mein Herz, das so langsam schlägt, sondern ein anderes Pochen, in den Mauern hängen geblieben wie der Geruch nach Kohle im Keller, der schwache Geruch nach Chlor, wer weiß, was mit den Tönen geschieht, den Stimmen der Menschen, die hier waren?
    Es ist aus, denke ich, und ich möchte aufstehen, hinausgehen, das ganze Gebäude umrunden, als müsste ich es vor der Kälte schützen und vor der Nacht.
    Ich habe mir eingebildet, ich würde die Leute schützen, wenn ich Acht gebe, dass sie nicht ertrinken. Aber man achtet auf eine Todesart, alle anderen verliert man aus den Augen, und wie unbemerkt Wasser verdunstet, so tritt unmerklich ein Unglück ein. Als der Placken Putz aus der Wand brach, war ich nicht in der Halle.
    Es ist vorbei, denke ich, wenn ich aufwache, alle paar Stunden, mich auf die Kante der Pritsche setze, auf den Schlaf warte.
    Dass es Verrat gibt, wusste ich seit je, hören Sie? Wenn Cremer wüsste, wo ich bin, so könnte ich nicht sicher sein, dass er meinen Aufenthalt nicht preisgibt. Ich wollte niemals etwas wissen, denn auch ich hätte verraten, was ich weiß, so wie einer den alten Bademeister verraten hat, und bald darauf wurde er verleumdet, ein Kind hätte er ertrinken lassen, ein Staatsfeind, der plötzlich verschwand, verschwunden blieb, seinen Platz nahm ich ein, ich war der Bademeister, als wäre es nie anders gewesen, als wären wir ein und derselbe, und seither lebe ich sein Leben oder er das meine. Manchmal kommt es mir vor, als wäre ich, seit ich hier arbeite, verschwunden, und wenn ich abends in meinem Zimmer lag, schaute ich auf meinen alten Globus und malte mir aus, an einem anderen Ort zu sein, sagte die Namen der Länder auf, betrachtete die großen blauen Flächen auf dem Globus. Hören Sie? Es ist so spät. Man spürt nicht mehr, wie die Zeit vergeht, das Wasser fehlt, das Licht fehlt, gleichgültig ob bei Tag oder bei Nacht, die Uhr ist stehen geblieben, und nur die Fische schwimmen noch langsam auf und ab.
    Wenn ich das Schwimmbad jetzt verlasse, finde ich es nicht wieder. Die Wohnung habe ich vor ein paar Wochen am Nachmittag verlassen, mein Vater hat sich dort erhängt, die Wohnung habe ich verlassen wie jeden Tag, obwohl ich nicht mehr arbeitete, zu Hause bleiben konnte, lief ziellos durch die Stadt, während meine Mutter starb, und jetzt kann ich nicht mehr dorthin zurück. Die Wohnung ist versiegelt. Von der Seite springen verboten! Gesicht der Leiter zugewandt! Können Sie mich hören? Wenn Sie noch einen Schritt tun, sind Sie verloren. Dort, wo das Becken war, klafft ein Abgrund.

    Es ist das erste Licht. Frühmorgens das erste Licht in der noch leeren Schwimmhalle: Manchmal bleibe ich unten im Keller liegen und warte mit geschlossenen Augen darauf, es vor mir zu sehen.
    Selbst wenn Sie mich hören, werden Sie es nicht mehr sehen, denn das Wasser fehlt. Es waren Licht und Wasser, vor allem im Winter, mehr noch im Winter als im Sommer, das fahle Licht, noch kälter, da es durch Fenster und Glasbausteine fällt, man sieht, dass dieses