Der Bademeister: Roman (German Edition)
aufgegeben wurde, drei Globen gefunden; man hat sie weggeschmissen, als hätte die Erde ausgedient, da ihre Grenzen sich verschoben haben, als sei es möglich zu vergessen, was die Welt für einige Jahre war, so wie mein Vater die Toten vergessen wollte und was er getan hatte, und ich wollte all das vergessen, was ich nicht war und nie mehr sein würde. Ein ganzes Leben kann verfehlt sein, und ein Ereignis, das kurze Zeit später schon keiner mehr kennt, ein ganzes Leben zerstören. Die Leute ducken sich dazu und warten auf den Abriss, auf den Verfall und auf die Abrissbirne, als wäre es ein Schicksal, das über uns verhängt ist. Sie ducken sich und kriechen in den Windschatten, kriechen dahin, wo es trocken ist, sie bringen ihre Schäflein ins Trockene, und lesen die falschen Warnschilder laut vor, so wie ich. Aber mir ist das jetzt gleich. In einem Laden, der aufgegeben wurde, habe ich drei Globen gefunden, sie stehen jetzt im Keller neben meinem alten Globus und neben dem Aquarium. Ich lasse mich hier nicht verjagen.
Die Kacheln sind lose. Wenn ich vorsichtig die Treppen ins Becken hinuntersteige, dann höre ich es genau. Sie klirren wie Scherben oder Steinchen, es hilft nichts, leise aufzutreten, man hört es doch, ein ungutes Geräusch, und klingt wie Scherben, wie eingeschlagene Fenster, keiner würde darauf achten, eine der Steinfiguren an der Fassade ist abgeschlagen, das ganze Gebäude vogelfrei, und wenn jemand die Türe eintritt, kann jeder hier herein.
Noch ist nichts passiert. Aber sie sind alle da, der Hausmeister, Frau Karpfe, die Putzfrauen, Badefrauen und Klaus, sie stehen mit zornigen Gesichtern vorm Gebäude, manchmal höre ich ihre Stimmen laut im Treppenaufgang, in der Eingangshalle, im Büro. Sie schnüffeln wie Hunde dort herum, schnüffeln, näseln, wittern jede Wunde, jede Schwäche. Obwohl ich nie mit ihnen in eine Kneipe gehen wollte, bin ich mitgegangen, obwohl ich ihren Hohn gespürt habe, bin ich mit ihnen mitgegangen, saß mit ihnen an einem Tisch und war betrunken wie sie auch. Ich hatte vorher nie getrunken, Klaus musste mich nach Hause begleiten, vier Nächte waren es, so spät war ich sonst nicht mehr draußen, habe ich die Straßen nicht gesehen, das Licht hinter den großen Fensterscheiben, den Rauch, die Leute, sehr viele, und viele Kneipen, an denen wir vorübergingen, acht oder mehr waren wir. Die anderen hatten vorher schon getrunken, du kommst doch mit? fragte Klaus, und der Hausmeister und Frau Karpfe riefen laut nach mir. Vier Tage lang nahmen sie mich mit, sie grinsten morgens, wenn ich kam, als wüssten sie, ich war nicht von allein aufgewacht. Die Hinweisschilder, dachte ich am Morgen, da stand schon meine Mutter in der Tür, um mich zu wecken. Knapp vor den ersten Badegästen war ich da.
Noch kamen Badegäste.
Ein älterer Mann grüßte mich streng, bevor er eine halbe Stunde ohne Pause schwamm, aus dem Wasser stieg und mit knappem Gruß wieder ging.
Ein junger Mann schwamm so vorsichtig dicht an der Haltestange auf und ab, als fürchtete er, jeden Moment unterzugehen.
Die gläserne Schwingtür wurde heftig aufgestoßen, und drei Kinder rannten aufs Schwimmbecken zu, als wollten sie in ihren Kleidern hineinspringen.
Eine Frau zeigte ihrer Freundin die schlaffen Schenkel und lachte ärgerlich.
Ein mageres Kind mit verschlagenem Gesicht hockte an der Treppe zum Nichtschwimmerbecken, tupfte mit dem Finger Speichel aus den Mundwinkeln und steckte ihn ins Wasser.
Junge Leute schwammen ruhig und selbstgewiss, sie riefen mir freundlich etwas zu und schwammen weiter.
Eine alte Frau las mit greller, ärgerlicher Stimme ein Schild vor: Springen vom Beckenrand verboten!
Noch kamen Badegäste, und sie schienen die schadhafte Stelle nicht zu bemerken. Sie kümmerten sich nicht darum, schwammen, trockneten sich ab, gingen hinaus, während ich zurückblieb.
Jeden Tag habe ich die Schilder, die Warnungen und Anweisungen gelesen; die Regeln in einem Schwimmbad sind nicht schwer zu verstehen, und so leicht es ist, sie zu befolgen, so leicht ist es, darüber zu wachen, und für Verwirrung ist kein Platz.
Letztendlich bestimmt das Wasser die Regeln und sonst niemand, wer der Bademeister ist, das bleibt sich gleich, und weil ein Mensch ertrinken kann, ist der Bademeister da.
Es ist undenkbar, dass sich an solch einem Ort etwas ändert, was auch immer geschehen mag. Es muss einen Ort geben, der immer gleich ist, der keiner Willkür und nicht einmal der Zeit unterliegt, es
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