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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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muss undenkbar sein, dass solch ein Ort anders gebaut ist als aus Stein, undenkbar, dass er verrottet und verfällt wie andere Gebäude, Häuser, von denen man Vorsprünge und Balkons abschlägt, Fabriken oder Gastürme oder Mauern, die man in die Luft sprengt.
    Solange das Wasser da ist, wird am Ende nichts geschehen, dachte ich und wollte ruhig bleiben, und schließlich haben alle sich bei Frau Karpfe im Büro versammelt, wir sind es, die hier arbeiten, wir alle saßen am Abend in einer Kneipe, sie haben mich dazugerufen, als müssten jetzt andere Regeln gelten, denn es kann nicht sein, dass ein Schwimmbad verkommt, das Wasser ist ja da, und keiner kann solche Pläne haben, das Schwimmbad wird renoviert, glaubte ich, denn schließlich war das Wasserbecken voller Wasser, und anders ist es nicht denkbar.
    Doch gingen sie am fünften Tag und ließen mich allein zurück, selbst Klaus ging ohne ein Wort an mir vorbei, der Hausmeister war es, der die Tür zuschloss, und die anderen wussten nicht, dass er mir den Schlüssel des Seiteneingangs ausgehändigt hatte. Sie mussten glauben, ich bliebe eingeschlossen bis zum nächsten Tag.
    Aber das Becken war noch voller Wasser.

    Am Morgen des sechsten Tages kam meine Mutter in mein Zimmer. Ich war schon wach, ich lag noch da und stand nicht auf. War niemals krank gewesen und hatte keinen Tag gefehlt, wollte jetzt krank sein, mich nicht bewegen, nicht aufstehen und nicht wissen, was da aufzustehen wäre, wollte keinen Schritt vor die Tür und keinen vor den anderen setzen, sondern im Zimmer bleiben, und das Zimmer stand still, als wäre es hängen geblieben in einem Winkel, den die Zeit übersehen hat oder gering geachtet, so dass die Tage sich voreinander her- und ineinanderschieben, dachte ich und starrte in das blaue Licht des Globus, der seit je in meinem Zimmer stand und sich von keiner Grenzverschiebung beirren ließ, und da ich nicht zur gewohnten Stunde aus dem Haus war, meine Mutter vor mir aufwachte, kam sie ins Zimmer, das nur vom Globus erhellt wurde, sie schaltete das Licht ein, und ich sah, dass sie ein geblümtes Kleid trug. Nie bin ich krank gewesen und habe keinen Tag gefehlt, wie in meinem Entlassungsbrief hervorgehoben ist, stand also auch an diesem Tag auf und zur vorgesehenen Stunde am Schwimmbecken. Stand auf, und als ich aus dem Bad kam, hatte meine Mutter die Fenster weit geöffnet, um frische Luft hereinzulassen, und den Globus hatte sie an die Wohnungstür gestellt, damit ich ihn zur Mülltonne hinuntertragen könne; die Länder stimmen längst nicht mehr, sie haben ja schon andere Namen, sagte sie ärgerlich und hielt einige Badehosen in den Händen, die ich am Abend mit neuem Gummi auf meinem Bett fand. Trotz der Kälte schwitzte ich, ging ängstlich auf glatten Straßen bis in den Hinterhof, wo ich die schwere Metalltür öffnete und den Globus unterm Arm trug, so dass Klaus lachte, als er mich sah, weil ein Bademeister mit einem Globus unterm Arm komisch aussieht, verkündete er und war erleichtert, dass ich es war, nicht Frau Karpfe, die er nicht leiden konnte und die nicht dulden wollte, erklärte er, dass er auf den Sicherheitsventilen kochte. Zu Weihnachten kaufe ich endlich Karpfen, spottete er und zeigte auf die zwei Aquarien in der Werkzeugkammer. In einem schwammen die Welse im Schwimmbadwasser, im anderen die kleinen, flachen Fische. Auf meine Bitte, ihn für mich aufzubewahren, stellte er den Globus in die Werkzeugkammer. Wenn du willst, meinte er achselzuckend, lange dauert es eh nicht mehr. Es kommen Leute von der Bauaufsicht. Er wandte sich verlegen ab, schämte sich vielleicht wegen des Vorabends und weil er wortlos an mir vorbeigegangen war. Er nahm den Globus, stellte ihn auf den Tisch neben die Aquarien, ich kümmere mich darum, sagte er. Aber geredet hat er seither nicht mehr mit mir.

    Nach ein paar Tagen war alles so, als wäre es nie anders gewesen, nur wurde das Bad früher geschlossen, und ich blieb allein zurück. Doch dann weigerte Frau Karpfe sich, die notwendigen Chemikalien zu bestellen, das Chlor und Flockungsmittel, obwohl jeder wissen muss, dass alles von der Qualität des Wassers abhängt. Ich glaube nicht an Zufälle. Frau Karpfe hatte mir versprochen, in zwei Tagen würde sie die Bestellung weitergeben, wenn ich das Papier unterschriebe. Ich habe unterschrieben. Sie hatten Absichten. Das Wasser hat sie geärgert, sie wollten es verschmutzt sehen. Frau Karpfe und der Hausmeister und alle, die im Volksbad arbeiteten,

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