Der Bademeister: Roman (German Edition)
Beauftragten gingen hinaus, und vielleicht merkt man einem an, dass er nie viel gesprochen hat, hält ihn für stumm oder für dumm und schließlich ist es, als wäre er nicht da.
Chlor und Flockungsmittel gingen aus, und immer weniger Badegäste kamen. Ich sammelte die leeren Dosen, als müssten sie sich von allein wieder füllen, schraubte die Deckel auf, roch daran, aber selbst der Geruch nach Chlor wurde schwächer, das Wasser begann schon, sich zu trüben, ich hatte den Verdacht, dass Klaus das Wasser nicht mehr richtig heizt, den dafür vorgesehenen Heizkessel vernachlässigt. Stand immer öfter allein in der Schwimmhalle, nur mittags kamen ein paar Alte und Mütter mit ihren Kindern, die anderen hatten vielleicht ein anderes Bad gefunden, gingen ins Stadtbad oder ließen das Schwimmen sein, ich lauschte, ob ich die Eingangstür hören könnte, argwöhnte, der Hausmeister würde die Badegäste gleich in der Eingangshalle abfangen und abweisen, so wie er eine Zeit lang alle abwies, die keine Badekappe bei sich hatten. Oft war ich allein in der Schwimmhalle, schlich mich dann in die Eingangshalle, sah dort keinen, kehrte zurück, die Wasserfläche lag unbewegt, und mitten am Tag war das kein gutes Zeichen.
Aber die Aufmerksamkeit eines Bademeisters darf nicht nachlassen, selbst dann, wenn nur zurückbleibt, was nicht geschehen ist, durchsichtiges Wasser, trübes Wasser, die Angst vor dem, was jederzeit geschehen könnte, die Wasseroberfläche liegt still und unberührt, wenn man ins Wasser schaut, sieht man nichts als seinen Untergrund, die Fliesen, türkis und ungleichmäßig gefärbt, so dass man glauben kann, es handele sich um einen See, auf dem kaum merklich Wellen das Licht spiegeln und tanzen lassen. Es ist nur eine Täuschung. Dass keine Spur zurückbleibt, glaubt man und weiß, dass sich alles auflöst, in feinste Teilchen, die sich dem Blick entziehen, wenn man nichts sehen will als eine glatte Fläche ohne Hinweis.
Ich habe es Tag für Tag gesehen. Der Bademeister ist dafür verantwortlich, dass nichts verlorengeht und dass das Wasser klar bleibt. Er muss jede Trübung ahnen, bevor sie auftritt. Denn wenn man das Wasser sieht, sieht man schon nicht mehr das Wasser selbst, sondern was ihm schadet, und kippt es einmal um, gibt es keine Hilfe mehr. Dann musst du es ablassen, hat der alte Bademeister mir erklärt, damit das Becken am besten ein paar Tage austrocknet. Das hält den ganzen Betrieb auf, hat er mir erklärt, und manchmal löst sich eine Kachel, Risse bilden sich. Spürst du den Geruch? hat er gefragt. Es ist nichts verlorengegangen. Was hier geschehen ist, kannst du noch immer riechen. Riechst du das Wasser? Wenn das Becken leerläuft, bleibt der Geruch und haftet in den Fugen und an den Kacheln. Ich habe das Becken leer gesehen, hat er mir erzählt, nach dem Krieg war das Becken leer und hat gestunken. Weißt du, was hier war? Zum Schwimmen haben sie das Becken nicht gebraucht. Aber hier waren Leute eingesperrt. Du tust gut daran, darauf zu achten, dass das Wasser klar bleibt. Wenn das Wasser umkippt, riechst du alles, was die Badegäste hereinschleppen. Und es waren nicht nur Badegäste, ich habe es selbst gesehen. Sie haben im Keller Leute eingesperrt und sie dann umgebracht. Die Leichen lagen hier im Becken. Ich musste sie hinaustragen und das Becken saubermachen. Dann haben wir wieder Wasser eingelassen, und alles war wie vorher. Lange hat es nicht gedauert, bis wieder die ersten Badegäste kamen. Ich habe sie erkannt, sie kommen immer noch, hat der alte Bademeister mir gesagt. Sie glauben, dass sich im Wasser alles abwäscht, aber wenn du das Wasser kennst, riechst du, woher sie kommen und was sie mit sich herumschleppen. Das Wasser stinkt zum Himmel, auch wenn das keiner wissen will, hat er gesagt, und ich dachte erst, er sei verrückt geworden. Aber ich habe das Wasser jeden Tag gesehen, fast vierzig Jahre lang. Ich weiß, er hatte recht, und vielleicht wussten es auch Frau Karpfe und der Hausmeister. Sie haben die Schwimmhalle gemieden, und geschwommen sind sie nie. Sie wollen das ganze Gebäude abgerissen sehen. Sie hatten einen Plan. Jetzt ist es hier so still wie auf einem Friedhof. Mit den Toten habe ich nichts zu tun. Solange ich hier war, ist kein Badegast ertrunken. Doch seit das Becken leer ist, kann man sich über den Geruch nicht länger täuschen, und alle kommen wieder und halten Ausschau, als müsste man sich hier an sie erinnern. Sie drehen den Kopf nach rechts und
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