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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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haben Lachs mitgebracht. Wollt ihr Lachs? Und was habt ihr erfahren? Gab es eine Liebesgeschichte, Baumeister?«
    »Ich denke, es gab eine. Aber ob ihm deswegen der Schädel eingeschlagen wurde, ist noch nicht amtlich. Habt ihr auch Reibekuchen oder so was? Für den Lachs?«
    »Kein Reibekuchen«, sagte Esther. »Was ist übrigens Reibekuchen? Klingt so nach Knochensäge.«
    Kochen war noch nie im Leben mein Job, ich rede mich immer damit heraus, dass ich Bratkartoffeln kann - und Spiegelei, mehr nicht. Ich ging in mein Arbeitszimmer, ich legte Christiane Weber auf. Geheimtipp - Jazz Ballads. Volker Niehusmann, Gitarre, das Sparsamste und Schwärzeste, was man zur Zeit in Europa kaufen kann. Einfach gut. Dem Vernehmen nach kommt die Frau aus Dortmund, woher sie das Feeling hat, weiß ich nicht, aber sie hat es. Easy Street... Der Niehusmann werkelt dazu leichthändig auf der Gitarre, als habe er es in die Wiege gelegt bekommen, reißt Läufe runter, als könne jedermann das lernen.
    Lieber Himmel, Tutut, wer hat dich erschlagen? Hattest du was mit der Maria Hansen? Und wenn du etwas mit der hattest, wie hast du das angestellt? Und wer hat dich erschlagen? Der Bauer Hansen, dem Maria keine Kinder schenkte? Oder doch der Berthold Schmitz, der dann auf den anderen Kontinent wechselte? Aber vielleicht ist das alles falsch. Vielleicht hatte der Richter etwas zu verbergen, vielleicht der Arzt, vielleicht die Gendarmen, vielleicht die ganze Stadt. Vielleicht hast du etwas gewusst, was du nicht wissen durftest - bei Todesstrafe. War es so, Tutut? Aber vielleicht warst du es gar nicht, vielleicht war es dein Bruder. Und wenn du es nicht gewesen bist, wohin bist du verschwunden? Haben wir überhaupt eine Ahnung, was du deine Heimat genannt hast? Wo war deine Heimat? Wo hast du überwintert? Und wo hat man dich verscharrt? Auf dem Juddefriedhof über Gerolstein? Einfach an der Stelle, wo du gestorben bist? Irgendwo dort, wo heute der Asphalt der Straße liegt? Wie sollen wir das Rätsel je lösen?
    Als Christiane bei Loverman war, drehte ich ihr den Ton ab. Eine der Frauen schrie: »Lachs!«
    Rodenstock saß auf der Treppe und telefonierte. Irgendwie war es ein gutes Gefühl, ihn auf meiner Treppe hocken zu sehen. So, als wäre er hier zu Hause. Er war hier zu Hause. Er sagte: »Tessa, Sie waren einfach zu schnell. Die Gefahr liegt dabei in der Tatsache, dass man den eigenen Fantasien erliegt und ihnen nach einer Weile den Status der Realität gibt. Das ist gefährlich. Kommen Sie einfach morgen hierher und ich erzähle Ihnen, was wir herausgefunden haben.«
    Die Frauen hatten den Tisch im Garten gedeckt und inspizierten gerade meine Kröte, die dick und fett im Uferschlamm hockte und nicht einmal blinzelte. Kröten haben etwas sehr Souveränes. »Gottchen, bist du hässlich!«, sagte Esther inbrünstig.
    »Baumeister wird dir sagen, dass sie nicht hässlich ist, sondern schön«, erwiderte Emma weise.
    »Richtig«, bestätigte ich. »Sie ist auf ihre Weise schön.«
    Dann aßen wir, das heißt, wir mummelten so vor uns hin und waren recht schweigsam. Esther bemühte sich nach Kräften, lustig zu erscheinen, und erzählte eine Geschichte nach der anderen von irgendwelchen Leuten, die sich in irgendwelchen Hotels trafen, um miteinander zu schlafen oder zu streiten. Und immer, wenn eine Pointe kam, lachte sie vorher grell und hart, damit wir auch wussten, an welcher Stelle wir zu lachen hatten. Sie war irgendwie sehr kaputt. Eigentlich wollte ich sie fragen, warum sie Theater spielt, so schlecht Theater spielt. Ich fragte nicht, weil es sein konnte, dass ich ihr wehtat.
    »Wo schlafe ich eigentlich?«, fragte sie, als wir alle schwiegen und nicht einmal mehr höflich lächelten.
    »Er hat zwei Gästezimmer«, murmelte Emma. »Mach dir keine Sorgen, niemand hat es auf deine Ehre abgesehen.«
    »Nennt man das jetzt Ehre?«, fragte sie rau.
    »Man nannte es immer so«, stellte Rodenstock fest.
    »Mir macht dieser Bär Sorge. Gehen wir einmal davon aus, dass es Tutut war. Wo ist dann sein Bär geblieben?«
    »In die Wälder abgehauen«, sagte Emma einfach. »Aber was hat diese alte Frau genau gesagt?«
    Rodenstock berichtete so präzise wie möglich, er ließ nichts aus. »Es gibt also haufenweise Gerüchte, an denen etwas dran sein kann, aber nicht zwingend etwas dran sein muss. Plötzlich spielen jedenfalls andere Leute mit. Und dieser Bär ist komisch.«
    »Was ist daran komisch?«, fragte Esther. »Ein Bär ist eben ein

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