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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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gesucht«, drehte ich mich nicht einmal um. Dann setzte sie hinzu: »Das ist aber ein schöner Raum. Hier kommen sicher Bücher hin, nichts als Bücher.«
    »Irrtum«, sagte ich. »Vielleicht ein paar. Eigentlich kommt hier ein Ofen hin, eine bequeme Sitzecke, ein Billardtisch. Vielleicht ein Eisbärfell vor den Ofen.« Erst jetzt wandte ich mich um.
    Sie trug irgendetwas Blaues, nahezu Durchsichtiges, und sie hatte sich abgeschminkt und war nichts als hübsch. Und sie war sehr blass.
    »Ich wollte fragen, ob du einen Schnaps hast oder ein Bier? Oder irgendetwas. Ich kann nicht schlafen, es ist zu still hier. Und wo willst du überhaupt ein Eisbärfell herkriegen?«
    »Das mit dem Eisbär ist nicht wörtlich zu nehmen. Und meistens sind längst die Motten drin. Ich weiß nicht, ob ich irgendetwas Alkoholisches habe. Wahrscheinlich hat Rodenstock einen erstklassigen Kognak hier irgendwo deponiert, ansonsten wird Ebbe sein. Komm, wir schauen mal in der Küche.«
    Es knallte wieder, und der Donner kam übergangslos und lang grollend.
    »Reg dich nicht auf, so ist das in der Provinz. Und hier ist auch der Kognak.« Ich goss ihr etwas in ein kleines Wasserglas, weil ich Kognakschwenker nicht besitze und nicht besitzen will.
    »Das mit dem Gewitter regt mich nicht auf. Ich war mit fünfzehn bei einer Tante in Polen, da waren die Gewitter auch so stark. Bist du eigentlich böse, wenn ich schleunigst wieder verschwinde? Ich meine, das wäre doch sehr unhöflich.«
    »Nicht die Spur. Wenn du abhauen willst, kannst du das jederzeit. Soll ich dir ein Zimmer in einem Hotel bestellen? Es gibt ganz gute hier.«
    »Nein, nein, ich gehe dann doch wohl zu Tante Regina nach Zürich. Die hört kaum noch was ...« Ein schnelles Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Und deswegen hört sie mir zu. Ich bin verrückt, weißt du.«
    »So sehr verrückt finde ich dich gar nicht. Ein bisschen verrückt, aber das sind wir doch alle. Warum bist du denn verrückt?«
    »Ich bin Ahasver, der ruhelose Jude. Ich kann keine vierzehn Tage am gleichen Punkt sein.«
    »Und vor was läufst du weg?«
    »Mein Psychiater in New York sagt, vor mir selbst. Aber es nützt nichts, das zu wissen, ich renne trotzdem.«
    »Und wann willst du aufhören zu rennen? Wenn du siebzig bist?«
    »Kennst du das nicht, das Wegrennen?«
    »Jeder kennt das, ich auch. Es ist so anstrengend, habe ich rausgefunden, also bleib ich stehen und sehe mir genau an, was ist. Aber ich gebe zu, dass das eine ziemlich neue Sache in meinem Leben ist. Gehen wir ins Wohnzimmer? Da ist es bequemer.«
    Also legte ich mich halb auf die eine Couch, sie nahm die andere. Sie trank ziemlich hastig und ziemlich viel, und sie rauchte wie ein Schlot, zündete an jeder Kippe eine neue an, und es störte sie überhaupt nicht, dass ihre Brüste nahezu unverhüllt in mein Privatleben ragten. Mich störte es auch nicht, es wirkte dekorativ.
    »Frauen wie Emma sind so unglaublich stark«, murmelte sie und sah dem Rauch ihrer Zigarette nach. »Das macht mich klein, verstehst du?«
    »Verstehe ich. Wie sehen denn so deine Fluchten aus?«
    »Na ja, es geht fast immer um Männer, um irgendwelche Männer in meinen Hotels. Ich nehme mal an, dass einige von ihnen es ernst meinen. Aber bevor sie anfangen können, es ernst zu meinen, haue ich laut schreiend ab und singe das Lied der selbstständigen Frau, die Bindungen nicht nötig hat und schon gar nicht eine Identität über ihren Lebensgefährten erreichen will.« Sie kniff die Lippen zusammen. »Dabei denke ich manchmal, das wäre nicht mal das Schlechteste, was mir passieren kann. Aber das sage ich nicht laut, das sage ich nur meinem Kopfkissen.«
    »Du warst verheiratet, nicht wahr?«
    »Oh ja, ich habs ein paarmal versucht. Anfangs war das gar nicht schlecht, aber der zweite Mann zum Beispiel hat mich betrogen. Da habe ich ihn auch betrogen. Ich fühlte mich beschissen, aber du gewöhnst dich an alles. Jedenfalls an fast alles.«
    »Du wolltest schildern, wie so eine Flucht aussieht.«
    »Na ja, es ist das Übliche eben. Im Hotel kennt mich jeder, und eigentlich gehe ich lieber mit dem Oberkellner um als mit diesen grässlichen Yuppi-Konsorten, die dir dauernd erzählen, dass ihre Sowieso härter sind als ein Zwanzig-Dollar-Stück. Du hockst mit einem von denen an der Bar. Wenn sie allein sind, sind sie zu ertragen, wenn sie im Rudel auftreten, sind sie schlimmer als ein deutscher Männergesangsverein. Also, du sitzt neben dem Typ, und er redet. Meistens redet

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