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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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beerdigt?«
    »Auf dem alten Juddefriedhof, wie wir sagen. Das ist oben bei den Felsen über Gerolstein. Aber mein Vater hat gesagt, dass Tutut an der Stelle nicht begraben wurde. Sie gingen alle heimlich hin, um das Grab zu suchen. Aber sie fanden keins.«
    »Was wurde aus dieser Maria Hansen?«, fragte ich. Ich war verwirrt, so viel Wissen, so viel unklares Wissen.
    »Also, es ist gesagt worden, dass sie nach Köln ging. Also, es war so, dass meine Mutter immer erzählt hat, dass diese Frau eine Hexe war. Also, wenn ihr wisst, was ich meine. Die konnte Männer verhexen, die ... «
    »War sie hübsch?«, fragte Rodenstock schnell.
    »Muss sie wohl gewesen sein. Sie hat dem Hansen ja auch keine Kinder geboren, wie man sagte. Hansen muss sie dann oft geprügelt haben, weil er zornig war über die Kinderlosigkeit. Damals war das so. Sie soll dann nach Köln gegangen sein, und...«
    »Als Dirne?«, fragte Rodenstock.
    »Sagte man. Aber ob da was Wahres dran ist, weiß ich ja nicht.«
    »Wie alt war diese Frau, als Tutut erschlagen wurde?«, fragte ich.
    »Ungefähr dreißig«, sagte sie sehr sicher. »Und sie muss auch wohl im Sommer manchmal in einer Wirtschaft in Gerolstein bedient haben. Sie war das, was man damals ein raues Frauenzimmer nannte. Also, so ist es uns Kindern erzählt worden. Also, mehr weiß ich nicht.«
    »Nur noch eine Frage«, bat ich. »Wer lebt noch, der genauso klare Erinnerungen hat wie du?«
    »Nur noch Mattä Juppes oben in Büscheich. Aber dem soll es nicht gut gehen, haben die Leute erzählt. Der muss jetzt so fünfundneunzig sein, mindestens. Der war auch beim Sprudel. Der hatte ein Fuhrwerk und zwei Pferde. Das war damals schon was.
    Und er hat die Tonkrüge aus Schweich geholt. Da wurden die gemacht. Und er ist auch oft ins Kannebäckerland. Da wurden auch Tonkrüge gemacht. Er war ein Lustiger. Aber ich weiß nicht, vielleicht hat ihn der Herrgott schon geholt. Und was wollt ihr mit alldem machen?«
    »Wir wissen es nicht«, lächelte Rodenstock. »Wir sind dir jedenfalls sehr dankbar.«
    Wir verabschiedeten uns, und ich versprach, ihr den Text zu schicken, wenn ich darüber schreiben würde. Sie stand in ihrer Haustür zwischen den Geranien vor den Fenstern und sie sah hübsch und friedlich aus. Sie war gelassen, sie winkte uns nach.
    »Sie hat uns nicht verraten, was über den Arzt und den Richter gemunkelt worden ist.« Rodenstock zündete sich einen seiner fürchterlich stinkenden Stumpen an. »Sie würde es wahrscheinlich nicht über die Lippen kriegen, das ist noch immer die Herrschaft. Ich bin müde, und ich frage mich, wieso diese Tessa nicht auf die Idee kam, Leute mit Erinnerung zu suchen.«
    »Sie hat keine Erfahrung«, sagte ich. »Sie ist keine Berufsfragerin. Wahrscheinlich lebt sie in der Vorstellung, dass allein schriftliche Dokumente etwas taugen. Außerdem ist sie zu schnell. Sie hat den Mord, sie fantasiert ein bisschen, sie findet eine Lösung - das ist es dann. Recherchen sind Arbeit und unbequem, so läuft das. Wir haben viel Arbeit. Nach Hause?«
    Er nickte. »Wir hatten ein Drama mit zwei Mitwirkenden. Jetzt haben wir ein Drama mit mindestens ... warte mal ... neun bis zehn Darstellern. Hoffentlich werden es nicht noch mehr.«
    »In ein paar Tagen werden wir wahrscheinlich ganz Gerolstein auf der Bühne haben. Das ist so typisch in der Eifel. Wir werden uns im Gebrauch von Spaten üben müssen.« Er sah mich von der Seite an. »Meinst du, wir finden ihn?«
    »Bis jetzt haben wir jede Chance.«
    Emma und Esther machten eine Modenschau in der Küche. Esther trug ein rotschwarz-kariertes Männerhemd, offen bis zum Nabel, in der Brusttasche eine wilde Rose - rosafarben. Dazu eine kurze Jeanshose, die ständig zu platzen schien. Dazu höchst derbe Schuhe aus grünem Wildleder und knallrote dicke Schafswollsocken. Der Vollständigkeit halber ging sie mit schnellen, kleinen Schritten auf meinem kostbaren Küchentisch hin und her. Emma stand auf Normalhöhe und klatschte Beifall. Paul lag auf der Fensterbank und machte einen höchst gelangweilten Eindruck. Auf dem Herd hockten Willi und Satchmo nebeneinander und schienen sich kaputtzulachen. Die Frauen stießen die Fäuste in die Luft und machten dazu: »Wow! Wow! Wow!«
    »Da fällt mir nichts mehr ein«, murmelte Rodenstock und umarmte seine Gefährtin.
    Als ihm auffiel, dass sie genauso aussah wie ihre Verwandte, schüttelte er nur sanft den Kopf.
    »Wann wirst du erwachsen?«
    »Hoffentlich nie!«, strahlte sie. »Wir

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