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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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brachte diese Briefe, aber er redete nicht drüber. Er war sehr zuverlässig. Aber der Tote kann nicht Tutut gewesen sein, denn der Bär war ja nicht da.«
    »Elisabeth«, begann Rodenstock den nächsten Anlauf, »kannst du dich daran erinnern, dass Vater oder Mutter irgendetwas über diesen Toten erzählt haben? Das muss doch damals eine Sensation gewesen sein, oder? Da ist doch geredet worden, jahrelang geredet worden. Was haben denn die Leute so gesagt?«
    »Ja, ja, da ist viel geredet worden«, sagte sie vorsichtig. Auf ihrer Stirn zeigten sich noch ein paar Falten mehr. »Da ist gesagt worden, dieser Tutut hätte was Verbotenes gehabt.«
    »Hat er gestohlen?« Rodenstock lächelte.
    »Nein, nein«, sie lächelte zurück, sie wirkte weise. »Also, das war damals so: Wenn jemand sagte, der hat was Verbotenes, dann meinte man, er hätte irgendetwas mit einer Frau. Zum Beispiel mit einer Verheirateten. Das war damals ... ja, das war eigentlich ganz schlimm.«
    »Wer hat Ihnen denn gesagt, dieser Tutut hätte etwas Verbotenes?«
    »Meine Mutter hat das einmal gesagt. Aber nur einmal.« Eine Weile herrschte Schweigen.
    Rodenstock schüttelte kaum merklich den Kopf. »Da muss noch etwas anderes gewesen sein, Elisabeth. Nicht wahr, da war noch etwas?«
    »Da ist noch etwas, aber darüber kann ich nicht sprechen. Die Kirche sagt, man darf nicht übel nachreden.« Sie war immer noch sehr sicher, sie wirkte nicht im Geringsten verkrampft. Sie war eine gläubige Frau, sie hielt sich an ihre Regeln.
    »Also gab es irgendeinen Menschen, von dem behauptet wurde, er hätte den Tutut getötet. Ist es das?«
    »Das ist es.«
    »Also«, sagte Rodenstock beinahe liebenswürdig, »nun will ich mal raten, damit ich dich nicht in Bedrängnis bringe. Da ist gesagt worden, der Bauer Berthold Schmitz hätte den Tutut getötet. Weil er doch da wohnte, wo Tutut gestorben ist. Und vier Tage nach der Tat war der Bauer Schmitz verschwunden.«
    »Ja. Nach Amerika ist der. Und das stimmt, das ist gesagt worden. Wenn Sie es schon wissen, kann ich es ja sagen. Es ist gesagt worden, der Bauer Schmitz hätte den Tutut wegen Geld umgebracht und wäre dann nach Amerika. Er ist ja auch nie zurückgekommen.«
    »Warum sollte er zurückkommen? Er ist doch ausgewandert«, murmelte ich. »Der Bauer Schmitz war es wahrscheinlich nicht. Was ist denn noch so alles gemunkelt worden? Mit wem soll Tutut was Verbotenes gehabt haben?«
    »Das ist nicht so gesagt worden, also nicht mit Namen. Aber es kann nur Hansens Maria gewesen sein. Den Namen kann ich ruhig sagen, weil die Familie gibt es nicht mehr.«
    »Wer war diese Frau?«
    »Ach, Kinder, ihr wollt aber viel wissen. Und ich weiß selber doch gar nichts. Also, an der Stelle, an der Tutut getötet wurde, geht doch die Straße nach Rockeskyll ab. Da ging auf der anderen Seite der Straße früher ein breiter Weg hoch. Den hab ich noch selbst gesehen. Und da lag obendrauf ein Hof. Den hat man hier in der Gegend den Hexenhof genannt. Der muss schon immer diesen Namen gehabt haben. Als die Frauen als Hexen angeklagt und gefoltert wurden und verbrannt, da sind drei Frauen von diesem Hof dabei gewesen. Als mein Vater damals Kistenmacher war, da gab es den Hof noch, aber niemand saß drauf, der lag verlassen. Vorher war die Familie Hansen drauf gewesen. Und die Familie stammte nicht von hier, die waren fremd hier. Und die Maria Hansen war die Frau vom Bauern. Und die soll was Verbotenes gehabt haben. Aber was die Leute so reden. Genaues hat man da nie gehört. Jedenfalls ist gesagt worden, Tutut hätte was mit der gehabt. Kann ja harmlos gewesen sein, aber jedenfalls ist gesagt worden, dass vielleicht der Mann von dieser Maria den Tutut erschlagen hat, weil er zornig war auf Tutut. Aber das kann ja irgendwie auch nicht sein. Denn wo ist dann der Bär geblieben?« Sie grinste vage wie ein Lausbub. »Du lieber Himmel, wir reden viel und wissen nichts.«
    »Das jeder Mordkommission ins Stammbuch«, nickte Rodenstock trocken.
    »Was wissen Sie über diesen Arzt und diesen Richter?«
    Sie sah mich an und überlegte. »Also, ehrlich nix. Das sind die besseren Leute, mit denen hatte unsereiner nie zu tun. Ich war im ganzen Leben noch nie beim Arzt, und vor Gericht war ich auch noch nie.«
    Ich sah Rodenstocks Blick, und ich wusste, er hatte sie bei einer schnell gesprochenen Unwahrheit ertappt. Er sagte freundlich: »Das glaube ich dir. Sag mal, wenn früher einer starb, der nicht katholisch war, wo wurde der

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