Der Bär
könnte man das Haus für alle Ewigkeit decken. Da haben wir beide gelacht, und recht hat er gehabt, es waren ganz scheußliche Reibekuchen und sehr versalzen. Man sagt ja, verliebte Köchinnen nehmen immer zuviel Salz. Heute hatte ich im Krämerladen eine komische Begegnung. Die Frau vom Mogge stand neben mir und sagte plötzlich: Da hört man ja Enormes von Veränderungen, die auf uns zukommen sollen! Ach ja, habe ich geantwortet, was meinen Sie denn? Und sie druckste herum und sagte dann: Ich meine die neue Firma Gerolsteiner Brunnen. Da kommen ja große Veränderungen. So wird es sein, habe ich geantwortet, fetzt frage ich mich: Weiß die etwas, hat da irgendein Mensch ein Sterbenswörtchen ausgeplaudert? Ich hoffe, Du kannst mich beruhigen. Deine Dich liebende Haselmaus.
Der siebte Zettel ging von Wesendonker an Maria Hansen. Er ist ziemlich lang, undatiert und lautet so:
Habe ein Exemplar der Beiblätter der Illustrierten Zeitung ergattert, in dem zu lesen steht, was uns erwartet. Wir werden in New York ausgeschifft und treten dann die Reise in die Gegend der Oberen Seen an, in die Nähe von Chicago. Wir können dort im Grunde tun und lassen, was uns beliebt, sofern es uns nur gelingt, unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir können akzeptieren, dass uns die Regierung der Vereinigten Staaten einige Äcker kostenlos zur Bebauung überlässt, wir können jedoch auch gänzlich auf Ackerbau verzichten, wenn sie denn einen Verwaltungsbeamten mit meiner Erfahrung brauchen können. In der Illustrierten steht, dass es an Fachkräften meiner Art erheblich mangelt... «
»Entschuldige die Unterbrechung. Aber wieso nennt ihr das Zettel, obwohl die Nachrichten eigentlich Briefe sind?«
»Wir haben sie Zettel genannt, weil sie ohne Kuvert sind, weil sie wahrscheinlich ohne Kuvert zugestellt wurden.«
»Konnte Tutut schreiben?«, fragte ich weiter.
Eine Weile herrschte betroffenes Schweigen.
Emma formulierte langsam. »Wenn er lesen und schreiben konnte, und das sollte man von einem klugen Zigeuner annehmen, kannte er den Hintergrund der ganzen Affäre. Mit anderen Worten: Wäre er ein mieser Charakter gewesen, und hätte er den Versuch unternommen, die ehrenwerten Herren zu erpressen, dann hätten sie ihm zahlen müssen, was immer er wollte. Aber bisher spricht nichts für diese Möglichkeit. Und todsicher hätte in den Briefen und Zetteln irgendetwas davon gestanden. Selbst wenn Tutut lesen konnte, er hat sein Wissen nicht benutzt. Bisher fehlt dafür jeder Beweis.«
»Kann ich weitermachen?«, fragte Tessa. »Also, es geht weiter: ...
dass es an Fachkräften meiner Art erheblich mangelt und dass ich somit wahrscheinlich in jeder öffentlichen Verwaltung tätig werden kann.
Ich weiß, das wäre eine große Lebensumstellung für Dich, aber wäre es denn nicht auch eine gute Möglichkeit, der schweren Arbeit des bäuerlichen Standes zu entkommen? Du könntest dann unserem Haushalt vorstehen und für uns sorgen und brauchtest Dir keine Mühsal mehr zu bereiten. Überlege Dir das genau, meine geliebte Maria, noch ist Zeit, noch drängt nichts. Da ich wegen des Teilverkaufs meines Hauses im Besitz einer einigermaßen angemessenen Barschaft bin, können wir jedoch auch direkt von New York aus in den Süden gehen. Nach der Halbinsel Florida oder nach Louisiana oder Texas. Dort ist das Wetter angenehmer, und die Winter sind milde. Die meisten, die mit uns auf dem Schiffe reisen werden, müssen nehmen, was sie kriegen können. Das bedeutet in der Regel eine Zukunft als Bauer.
Wir dagegen haben es fürstlich, wir können tatsächlich auswählen.
Falls irgendetwas dazwischenkommt: Deine Passagekarte liegt in Amsterdam bei der Schifffahrtslinie, deren Adresse Du auswendig lernen wolltest. Ich denke nicht, dass das Schicksal uns noch einen Streich spielen wird. Hoffe mit mir. Ich liebe Dich. K.H.
Dann noch ein letzter Zettel von Frau Wesendonker an den Richter Severus Brandscheid, geschrieben am 15. Juli 1988. Der Wortlaut:
Geliebter! Ich glaube, ich habe Misstrauen gegen Tutut in Deiner Stimme entdeckt. Aber warum sollte er irgendetwas verraten? Sieh mal, er bekommt von allen kleine oder große Münze. Von Dir, von mir, von Maria Hansen, von meinem Mann, sogar von Dr. Manstein, für den er den Garten macht und andere Besorgungen. Außerdem ist am 1. September, wenn mein Mann spurlos verschwindet, unsere größte Notzeit vorbei, und wir können uns in Ruhe und Besonnenheit auf ein neues Lebensglück einrichten. Also,
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