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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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heftigen Stoß, brach nach vorn in die Knie und lag dann auf dem Bauch.
    Das Handy, wo war das verfluchte Handy? Als ich es im Gras fand, war ich so zittrig, dass ich mich mehrmals verwählte. Endlich klappte es. Ich sagte: »Ich weiß, ihr seid das Rote Kreuz, aber ich brauche auch Bullen. Und euch auch. Und es ist dieselbe Stelle wie vor zehn Minuten oder so.«
    »Ach du lieber Herr Gesangsverein«, sagte der vom Deutschen Roten Kreuz. »Wir sind schon da.«
    Ich rief Vater Schmitz an, und dummerweise war Tessa am Apparat. »Kann ich deinen Vater mal haben?«
    »Was ist denn?«
    »Ich hätte gern deinen Vater.«
    »Aber, was ist denn?«
    »Dein Ingbert ist verprügelt worden. Ist schon im Krankenhaus. Geh ihn mal streicheln, deinen Helden. Und heul nicht, wenn du an seinem Bett stehst.« Irgendwann schoss ein Krankenwagen heran, irgendwann kamen die Uniformierten, aber ich weiß nicht mehr die Reihenfolge. Sie fragten mich alles Mögliche, aber ich wusste keine Antwort, ich war nur todmüde. Und natürlich war ich stolz auf mich. Wann schlägt so ein Typ wie ich schon mal zwei stupide Typen in die Gartenerde?
    Eins war mir in den letzten endlosen Minuten klar geworden: Ich musste meine liebevolle Art ablegen, ich musste irgendeine Kampfart einstudieren, mit der es möglich war, hin und wieder ein Dutzend Rechtsradikale ins Krankenhaus zu schmettern. Dann dachte ich daran, dass ich satte zwanzig Kilo zu viel Gewicht hatte, und wusste: Das wird nie im Leben was.
    Sie bestanden darauf, dass ich ins Krankenhaus mitfuhr, und irgendein Polizeibeamter sagte mitleidsvoll: »Nun lassen Sie sich mal verpflastern, rufen uns an und erzählen, was los war. Am besten, Sie machen das gleich schriftlich.«
    »Ich schicke Ihnen eine Kurzgeschichte«, versicherte ich. »Was kriegt man denn da so an Honorar?«
    Er lachte sich halbtot. Ich entdeckte, dass ich wahrscheinlich einen Backenzahn weniger hatte, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, an dieser Stelle getroffen worden zu sein. Aber das Leben heute läuft ohnehin so rasch an einem vorbei, dass man immer nur die Hälfte mitkriegt.
    Das Krankenhaus Gerolstein ist ein Hort seliger Ruhe und mit der Gewissheit verbunden, dass kein Fall zu trübe ist und kein Bruch zu splittrig. Ich wurde von einer älteren Krankenschwester in den Röntgenraum geführt, die im Leben nichts Neues mehr zu erwarten hatte - und die entsprechend mit mir verfuhr.
    »Legen Sie sich mal hin«, donnerte sie.
    Ich legte mich hin.
    Dann kam sie heran, faltete mich, verdrehte mich, zog und zerrte an mir, als sei ich eine Art Pappkarton, der nicht so wollte, wie sie das gern hätte. Bisher waren die Schmerzen sauber und scharf gewesen, jetzt wurden sie unerträglich und erfassten mich total.
    »Soweit ich das erkenne, haben Sie gar nichts!«, stellte sie nach einer halben Stunde fest. »Aber ob Sie was haben, entscheide ja nicht ich. Das macht der Doktor.«
    Der Doktor war der typische Kelte, leicht rothaarig, schmal und zäh. Er zeigte sein Pokergesicht und murmelte: »Tja, Herr Baumeister, machen Sie das öfter?«
    »Was, bitte?«
    »Dass Sie sich rumprügeln am hellen Tag. In Ihrem Alter!«
    »Nein, eher selten«, sagte ich. Was soll man auf derartige Fragen antworten?
    »Ich kann feststellen, dass Sie an den unglaublichsten Stellen Blutergüsse haben, Prellungen und solche Geschichten, aber nichts gebrochen.«
    »Sie müssten, rein theoretisch, heute zumindest drei weitere derartige Fälle hereinbekommen haben, wenn ich nicht irre.«
    »Ja, das ist richtig«, nickte er bedächtig, »heute war ein Prügeltag. Professor Seutz, Ingbert Seutz, war ja ein unglückliches Opfer, aber Sie?«
    »Was soll das?« Ich wurde langsam wütend.
    »Nun ja, die Verletzungen Ihrer Opfer sind, wenn ich das mal so ausdrücken darf, nicht von schlechten Eltern. Gesicht zerschmettert, Bein ausgehebelt, Wadenbeinbruch. Machen Sie das öfter?«
    Er musste irgendeine falsche Information bekommen haben. »Moment mal. Erst habe ich Ingbert gefunden, dann griffen die beiden Idioten mich an. Und ich habe mich dann dafür entschieden, mich zu wehren.«
    »Sieh mal einer an«, sagte er mit Kulleraugen. »Das klingt ja heldenhaft.«
    »Ich bin ein Held«, stellte ich fest. »Mir blieb gar nichts anderes übrig. Ich nehme an, ich kann gehen.«
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte er gleichgültig.
    »Sie sollten sich aber schleunigst auf den letzten Wissensstand bringen. Ich gehe jetzt.«
    »Aber da wollen Sie einige Polizeibeamte

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