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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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gefahren. Esther kam in den Garten gelaufen und fiel mir um den Hals, als seien wir längst verlobt.
    »Ich habe dich vermisst«, sagte sie.
    Auf so etwas finde ich nie eine Antwort, das macht mich immer ganz stumm. »Herzlichen Glückwunsch, du warst sehr erfolgreich, hörte ich.«
    »Ja, das war ich. Rodenstock hat gesagt, ich kriege gleich eine Konferenz. Die Schmitzens kommen auch.« Ihr Gesicht glühte vor Freude und Eifer.
    »Und was ist mit dem Volvo passiert?«
    »Das war richtig verrückt. Also, ich parke hinter einem LKW. Der setzt zurück und merkt gar nicht, dass der Volvo da steht und drückt mit dem Anhänger den Volvo durch einen Busch. Da geht es den Berg runter: so dreißig, vierzig Meter. Und zufällig komme ich genau zu diesem Zeitpunkt aus der Toilette. Hätte ich den nicht angehalten, wäre der abgezischt.« Sie lächelte. »Er war ein ganz reizender Belgier.«
    »Wie schön. Ist er versichert?«
    »Oh ja. Gut sogar, sagen die Polizisten. Jetzt kriegt Emma einen Haufen Geld.«
    »Hauptsache, dir ist nichts passiert. Blech ist ersetzbar.«
    Sie zögerte eine Weile. »Baumeister, ich wollte dir noch sagen, dass ich mich nicht aufdrängen möchte.«
    »Das weiß ich«, sagte ich.
    Sie lächelte zaghaft. »Du bist schon ein verrückter Hund.«
    »Das habe ich schon mal gehört. Machst du uns einen Kaffee?«
    »Ich wollte noch fragen, mit wem du dich geprügelt hast.«
    »Mit zwei Schlägertypen.«
    »Und? Hast du gewonnen?« Sie strahlte mich an.
    Ich war sogar ein bisschen stolz, und meine Welt war wieder in Ordnung, als ich mit einem glasklaren »Selbstverständlich!« antwortete.
    Eine Stunde später konnten wir uns alle nicht im Garten versammeln, weil ein kräftiger Sommerregen mit Gewitter herniederging, der wahrscheinlich bei den Bauern ein erleichtertes Aufseufzen auslöste. Wir saßen also gemeinsam im Wohnzimmer, und Rodenstock eröffnete.
    »Wir haben ja Esther gebeten, die Schifffahrtslinie zu finden, die um 1888 von Amsterdam aus Auswanderer in die Staaten brachte. Erstaunlich und zu loben: Sie ist fündig geworden. Ich darf also bitten, Esther, dass du was dazu sagst. Und noch etwas. Unser Ingbert wird bald aus dem Spital kommen. Er hat eine Menge Blutergüsse und Prellungen und dergleichen mehr. Einen Beinbruch hat er auch, aber er ist guter Dinge und fast schmerzfrei. Ich nehme einmal an, dass du, Tessa, ihn pflegen wirst. Baumeister hat auch eine Menge abgekriegt, aber auch das wird sich regeln. Alles im Dienste der Geschichtsschreibung.«
    »Ich habe mir Notizen gemacht, ich kann das nicht anders.« Esther setzte sich brav hin wie eine Volksschullehrerin. »Die Schifffahrtslinie, die 1888 die Passagiere und also auch Maria Hansen transportierte, existiert natürlich nicht mehr. Sie ist sozusagen in einem Platzregen von Übernahmen und Fusionen schlichtweg verschwunden. Die Exportfirma und Reederei, die heute das Erbe verwaltet, heißt Dubai Enterprises, die Leute waren sehr entgegenkommend und haben in ihren Kisten und Kästen herumgewühlt, die sie im Keller und auf dem Dachboden entdeckten. Es war eigentlich gar nicht so schwer. Es steht fest, dass Maria Hansen am 26. August in Amsterdam bei der Reederei erschien, sich vorstellte und auswies. Sie hatte eine behördliche Erlaubnis, auszuwandern. Diese Erlaubnis war auf den Namen Maria Slubik ausgestellt. Das ist, wie ich feststellen konnte, ihr Mädchenname ... «
    »Moment, kleine Unterbrechung, Esther«, sagte ich. »Tutut wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. August getötet. Das heißt ja wohl, dass Maria Hansen das gar nicht mehr mitgekriegt hat?!«
    Tessa regte sich. »Das hat mich auch interessiert. Wie verlief damals eine solche Reise? Man konnte mit der Eisenbahn über Euskirchen nach Köln, dort umsteigen, und von dort nach Aachen. Dann von Aachen nach Amsterdam. Das war eine beschwerliche Reise, bei der man in der Regel fast zwei Tage unterwegs war. Wenn sie diesen Weg genommen hat, dann muss sie am gleichen Tag abgereist sein, an dem abends Tutut erschlagen wurde. Und eigentlich müsste am gleichen Tag auch der Steuereintreiber Karl-Heinrich Wesendonker von Gerolstein Abschied genommen haben. Das hat er aber nicht. Und auch bei Maria Hansen ist mir einiges nicht klar. Sie musste nicht viel Gepäck mitschleppen, aber immerhin ihre ganze Garderobe, auch wenn die den Umständen entsprechend spärlich war. Und genau an dem Punkt werde ich nachdenklich. Wie hat sie das bewerkstelligt? Sie musste von ihrem Hof aus in ihrer

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