Der Bär
rechten Schulter und warf mich gegen ein altes, rostiges Drahtgitter. Das Gitter gab nach, und ich stürzte in einen Busch in dem Garten hinter dem Draht. Der Schmerz in meiner Schulter war sehr intensiv, lähmte mich aber nicht, sondern schenkte mir eine beinahe schmerzhafte Konzentration.
Sie ließen sich Zeit, sie hatten Zeit. Sie standen breitbeinig, die Hände in den Hüften. Die Tattoos auf ihren Armen zeigten die nackten Oberkörper betörend schöner Frauen, Schlangen, Adler und Kreuze in allen Variationen. Sie waren vielleicht achtzehn oder zwanzig Jahre alt, trugen schwarze T-Shirts, auf denen in Weiß so etwas wie Böhse Onkelz stand, und ihre Gesichter sahen so aus, als seien sie dabei, die Welt zu erobern - kühl und hart. Sie trugen die Haare rasiermesserkurz und waren beide blond und nahezu gleich groß. Vielleicht waren sie Brüder, vielleicht Zwillinge.
»Na, ihr seid vielleicht tapfer!«, sagte ich krächzend. »Herrenrasse, was?«
Endlich sagte der links von mir: »Du kannst dasselbe haben, was dein Kumpel gekriegt hat.«
»Mein Kumpel ist Professor der Geschichte, du Arschgesicht, der harmloseste Kumpel, den man sich vorstellen kann, unsportlich bis zum Gehtnichtmehr. Und darauf, den zu vertrimmen, bist du stolz, was?« Dann schloss ich an: »Wer bezahlt euch eigentlich?«
»Wir werden nicht bezahlt, wir säubern unser Land«, sagte der rechts von mir mit einer kindhaft hohen Stimme.
»Dann hat man aber vergessen, euch Besen in die Hand zu drücken.«
»Wir machen alles mit den Füßen und den bloßen Händen!«, versicherte der eine.
Ich kniete mich hin und wackelte etwas hin und her. Der andere war mit einem gleitenden Schritt bei mir und trat mir in die linke Seite. »Du sollst aufhören, gegen die Stadt zu arbeiten«, sagte er verbissen.
»Aha!«, sagte ich, als die Schmerzwellen abebbten. »Kannst du mir denn erklären, was ich gegen die Stadt tue?« Merkwürdigerweise war ich gelassen, ich hatte auch keine Furcht. Ich dachte nur etwas fiebrig: Ich warte auf eure Fehler, Jungs!
»Du kippst einen Kübel Dreck auf die Stadt«, erklärte der linke Typ.
»Irgendwelche Beweise außer deinem großen Riesenmaul?«, fragte ich und konnte dabei sogar grinsen.
Sie standen nun buchstäblich über mir.
»Du sollst keine großen Töne spucken.«
»Oh, ich entschuldige mich.« Ich wollte, dass sie ihre stoische Ruhe verlieren würden, dass sie zu unkontrollierbaren Bewegungen kamen, dass sie unsicher wurden. »Ihr redet jede Menge gequirlte Kacke, Leute. Ich bin gespannt, was ihr den Bullen erzählt, wenn die euch fragen, warum ihr hier prügelnd durch Gerolstein zieht.«
»Die Bullen fragen uns aber nicht«, sagte der rechte Typ.
»Doch«, widersprach ich. »Wenn ich euch anzeige, müssen sie fragen. Und sie werden fragen, weil sie gute Bullen sind.«
Endlich hatte ich sie am Haken, endlich waren sie an dem Punkt, an dem sie unsicher wurden.
»Scheißer!«, gröhlte der linke Zwilling und trat zu.
Diesmal hatte ich darauf gewartet. Ich nahm den Springerstiefel nahezu liebevoll in Empfang, drückte ihn hoch und drehte ihn mit aller Gewalt. Der Junge schrie im Diskant und fiel um.
Der rechte Zwilling machte einen Hecht auf mich und landete auf meinem Kreuz. Ich fiel nach vorn auf den Bauch und konnte mich nur knapp abfangen. Ich hatte das Gefühl, eine widerlich dicke, schleimige Kröte hocke auf mir - ich konnte nur mühsam atmen.
»Auch das noch!«, sagte ich gepresst. Ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass der andere platt auf dem Rücken lag und sich nicht rührte. Dann fühlte ich irgendwo im Gras unter meinen Händen einen Stein, eine dieser fantastisch flachen, schiefrigen Scheiben, über die Kleingärtner und Landwirte so fluchen, wenn sie in die Mähmesser geraten. Der Stein nutzte mir nichts, solange ich auf dem Bauch lag.
»Also, okay, lass uns reden«, sagte ich. »Vielleicht höre ich auf, in der Stadt rumzuwühlen.«
»Oh«, zwitscherte er verwundert mit der Stimme eines Zehnjährigen.
Er hatte jetzt ein Problem. Sie hatten ihm erzählt, er müsse uns unbedingt verprügeln. Aber sie hatten ihm nichts davon gesagt, was er denn tun müsse, wenn ich verhandlungsbereit war.
Dann sagte er zögerlich: »Okay. Bleib aber liegen.« Das klang genauso wie »Tu mir nicht weh.« Er wälzte sich von mir herunter.
Kaum war sein Gewicht weg, drehte ich mich, richtete mich auf und schmetterte ihm mit aller Gewalt den Stein in das Gesicht. Er schrie nicht, er atmete nur in einem
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