Der Ball spielende Hund
durchbringen, zeichnen sich meist nicht durch besondere Geisteskräfte aus, sonst würden sie auf andere Art ihren Lebensunterhalt verdienen. Emily Arundell hatte keine Geduld mit dummen Menschen. Jedes Jahr verbrauchte sie so ein armes Ding. Einfluss – keine Rede davon!»
Poirot beeilte sich, diesen schlüpfrigen Boden zu verlassen. «Befinden sich vielleicht Familienpapiere und dergleichen im Besitz von Miss Lawson?»
«Kann sein», antwortete Dr. Grainger. «Im Haus einer alten Jungfer sammelt sich immer eine Unmenge Zeug an. Miss Lawson wird wahrscheinlich noch nicht einmal die Hälfte durchstöbert haben.»
Poirot erhob sich. «Ich danke Ihnen vielmals, Doktor Grainger. Es war sehr freundlich von Ihnen.»
«Nichts zu danken. Leider kann ich nicht mehr für Sie tun. Am besten, wenn Sie sich an Miss Peabody wenden. Wohnt in Morton Manor, keine zwei Kilometer von hier.»
Poirot hatte sich über einen großen Strauß Rosen auf dem Schreibtisch des Arztes gebeugt und roch an ihnen. «Köstlich!», murmelte er.
«Wahrscheinlich. Rieche nichts. Vor Jahren den Geruchssinn verloren, nach einer Grippe. Peinlich, wenn ein Arzt das gestehen muss, eh? Sehr lästig. Auch das Rauchen macht mir dadurch nicht mehr soviel Vergnügen.»
«Sehr bedauerlich. Übrigens, darf ich Sie um die Anschrift des jungen Arundell bitten?»
«Gleich!» Dr. Grainger führte uns in die Halle und rief: «Donaldson!»
«Mein Assistent», erklärte er. «Er muss sie kennen. Er ist mit Charles’ Schwester Theresa verlobt. – Donaldson!»
Ein junger Mann trat aus einem Hinterzimmer. Er war mittelgroß; seine farblose Erscheinung und sein sachliches Wesen bildeten den denkbar größten Gegensatz zu Doktor Grainger. Der alte Arzt fragte ihn nach Charles Arundells Anschrift. Dr. Donaldsons sehr helle blaue, etwas vorquellende Augen glitten prüfend über uns hinweg. Dann antwortete er: «Ich weiß nicht, wo Charles wohnt, aber ich kann Ihnen Miss Theresa Arundells Anschrift geben. Sie wird Ihnen bestimmt sagen können, wo ihr Bruder zu erreichen ist.»
Er schrieb die Adresse auf ein Blatt seines Notizbuchs, riss es heraus und reichte es Poirot, der sich höflich bedankte. Wir verabschiedeten uns. Als wir das Haus verließen, bemerkte ich, dass Dr. Donaldson in der Halle stand und uns mit leicht erstaunter Miene nachsah.
10
«Sind solche faustdicken Lügen wirklich notwendig, Poirot?», fragte ich im Gehen.
Er zuckte die Achseln. «Wenn man sich überhaupt auf Lügen einlässt – Ihre Natur, Hastings, sträubt sich, wie ich sehe, gegen das Lügen, aber mir macht das gar nichts – »
«Das habe ich bemerkt.»
«– wenn man sich aufs Lügen einlässt, dann wenigstens kunstvolle, romantische, überzeugende Lügen.»
«Halten Sie diese Lüge für überzeugend? Glauben Sie, dass Doktor Donaldson überzeugt war?»
«Der junge Mann ist ein Skeptiker», gab Poirot nachdenklich zu.
«Auf mich machte er einen ausgesprochen misstrauischen Eindruck.»
«Er hatte keinen Grund dazu. Jeden Tag schreibt irgendein Schwachkopf die Biografie irgendeines Schwachkopfs. Das ist jetzt Mode.»
«Das erste Mal, dass Sie sich selbst einen Schwachkopf nennen», meinte ich schmunzelnd.
«Ich kann jede Rolle spielen. Aber schade, dass Sie meinen kleinen Schwindel nicht für gelungen halten. Mir gefiel er recht gut.»
«Geschmacksache. Und was nun?»
«Wir fahren zu Morton Manor.»
Morton Manor war ein massiger, hässlicher viktorianischer Bau. Ein altersschwacher Butler ließ uns zögernd eintreten und kam gleich wieder zurück. Ob wir angesagt seien?
«Bitte, sagen Sie Miss Peabody, dass wir von Doktor Grainger geschickt sind!», antwortete Poirot.
Wir warteten ein paar Minuten, dann öffnete sich die Tür, und eine kleine, dicke Dame watschelte ins Zimmer. Ihr schütteres weißes Haar war in der Mitte gescheitelt. Sie trug ein schwarzes, an manchen Stellen blankgescheuertes Samtkleid und schöne Spitzen um den Hals, die mit einer großen Kameenbrosche festgesteckt waren.
Aus kurzsichtigen Augen sah sie uns an. Ihre ersten Worte waren überraschend.
«Haben Sie was zu verkaufen?»
«Nein, Madame.»
«Bestimmt nicht?»
«Bestimmt nicht!»
«Keine Staubsauger?»
«Nein.»
«Sicherheitsschlösser?»
«Nein.»
«Kalender?»
«Nein.»
«Schön», sagte Miss Peabody und setzte sich. «Nehmen Sie Platz! Sie haben keine Ahnung, wie viel Leute einem heutzutage die Tür einrennen.»
Poirot wiederholte seine Geschichte. Miss Peabody hörte ihm
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