Der Ball spielende Hund
meines Erachtens mit so etwas nicht abgeben. Sie hat Geld genug und geht immer so elegant.»
«Vielleicht war es jemand vom Personal», meinte Poirot.
Miss Lawson war entsetzt. «Ausgeschlossen, weder Ellen noch Annie wäre so etwas auch nur im Traum eingefallen! Beide sind hochanständig und grundehrlich.»
Poirot schwieg eine Weile, dann sagte er: «Können Sie mir vielleicht erklären – sicherlich können Sie es, denn wenn jemand Miss Arundells Vertrauen besaß, dann jedenfalls Sie – »
Verwirrt murmelte Miss Lawson: «Oh, ich weiß nicht recht – », aber sie fühlte sich sichtlich geschmeichelt.
«Sie können mir bestimmt behilflich sein.»
«Wenn es mir möglich ist – gern – alles – »
«Streng vertraulich, natürlich», sagte Poirot.
Ein listiger Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Die Zauberworte «Streng vertraulich!» schienen ein «Sesam, öffne dich!» zu sein.
«Haben Sie eine Ahnung, aus welchem Grund Miss Arundell ihr Testament änderte?»
Miss Lawson schien ein wenig verblüfft zu sein. «Ihr Testament? Oh – ihr Testament?»
Ohne sie aus den Augen zu lassen, fuhr Poirot fort: «Sie machte doch kurz vor ihrem Tod ein anderes Testament und hinterließ alles Ihnen.»
«Ja, aber davon wusste ich nichts. Gar nichts!» Miss Lawsons Stimme wurde schrill. «Es war eine ungeheure Überraschung für mich! Eine wunderbare Überraschung natürlich! Diese unerwartete Großzügigkeit! Miss Arundell machte mir niemals auch nur die geringste Andeutung. Als der Anwalt das Testament vorlas, war ich so fassungslos, dass ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte. Natürlich hatte ich manchmal gehofft, sie könnte mir eine Kleinigkeit vermachen, eine ganz kleine Kleinigkeit, obwohl nicht einmal dazu ein Anlass vorlag. Ich war doch erst so kurze Zeit bei ihr. Aber das – das war wie ein Märchen. Noch nicht einmal jetzt kann ich es glauben. Und manchmal – ja, manchmal ist mir nicht ganz geheuer zu Mute. Ich meine – ich meine – »
Die Brille glitt ihr von der Nase; sie fing sie auf, fuchtelte damit herum und fuhr noch unzusammenhängender fort: «Manchmal habe ich das Gefühl – Fleisch und Blut bleiben schließlich Fleisch und Blut, und es ist für mich ein unbehaglicher Gedanke, dass Miss Arundell der eigenen Familie ihr ganzes Geld entzogen hat. Ich meine – es gehört sich eigentlich nicht, verstehen Sie, wie ich es meine? Wenigstens nicht das ganze. Ein solches Vermögen! Niemand hatte geahnt, wie groß es war. Aber – es ist so peinlich – alle Leute reden, wissen Sie – und ich war im ganzen Leben nicht berechnend! Ich hätte mir nie einfallen lassen, Miss Arundell zu beeinflussen. Es wäre mir auch gar nicht gelungen. Ehrlich gesagt, hatte ich immer ein ganz klein wenig Angst vor ihr. Sie war so schroff, wissen Sie, sie fuhr einen gleich an! Manchmal war sie geradezu grob. ‹Seien Sie nicht so dumm!› fuhr sie mich an. Und man hat doch schließlich auch seinen Stolz, und manchmal war ich ganz außer mir… Und jetzt sehe ich, dass sie mich die ganze Zeit gern hatte – ist es nicht wunderbar? Nur, wie gesagt, es wird so viel Unfreundliches geredet – und – und es scheint tatsächlich eine Ungerechtigkeit gegen gewisse Personen zu sein, finden Sie nicht?»
«Sie würden also vorziehen, auf die Erbschaft zu verzichten?» Den Bruchteil einer Sekunde lang glaubte ich einen ganz anderen Ausdruck in Miss Lawsons stumpfen, hellblauen Augen aufflackern zu sehen. In dieser Sekunde schien dort nicht eine sympathisch dumme, sondern eine kluge, scharfsinnige Frau zu sitzen.
Sie lachte kurz auf. «Nun, die Sache hat auch eine andere Seite… Ich will sagen, alles hat zwei Seiten. Ich meine nämlich – es war doch Miss Arundells ausdrücklicher Wunsch, dass ich das Geld erhalte, nicht wahr? Wenn ich es nicht annähme, würde ich ihren Wünschen zuwiderhandeln. Und das gehört sich ebenfalls nicht, finden Sie nicht auch?»
«Eine schwierige Frage», sagte Poirot und schüttelte den Kopf.
«Ja, und mir geht das alles so zu Herzen! Bella Tanios ist eine so nette Frau – und die lieben Kleinen! Ich bin überzeugt, es lag nicht in Miss Arundells Absicht, dass Bella – ich glaube, Miss Arundell überließ das meinem Ermessen. Sie wollte das Geld nicht unmittelbar Bella vermachen, damit dieser Mann es nicht in die Hände bekommt.»
«Welcher Mann?»
«Doktor Tanios. Wissen Sie, Mr Poirot, er hat die Ärmste völlig in seiner Hand. Sie tut alles – alles, was er sagt. Ich
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