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Der Ball spielende Hund

Der Ball spielende Hund

Titel: Der Ball spielende Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nach», antwortete Charles, «könnte ein draufgängerischer Kronanwalt sie dazu treiben, dass sie Schwarz für Weiß erklärt.»
    «Das», sagte Poirot, «wird sich vielleicht als sehr nützlich erweisen.»
    Er verließ das Zimmer; ich folgte ihm. Im Flur nahm er seinen Hut, ging zur Ausgangstür, öffnete sie und ließ sie krachend zufallen. Dann schlich er auf Zehenspitzen zur Tür des Wohnzimmers zurück und legte unverfroren das Ohr an den Türspalt. In seiner Schule war das Horchen offenbar nicht so streng verpönt gewesen. Ich war entsetzt, konnte aber nichts dagegen tun; er achtete nicht auf meine beschwörenden Gesten.
    Und dann sagte Theresa Arundells tiefe, vibrierende Stimme klar und deutlich zwei Worte:
    «Du Esel!»
    Schritte näherten sich. Poirot fasste mich schnell am Arm, öffnete die Flurtür und schloss sie lautlos hinter uns.

15
     
    «Poirot», sagte ich, «müssen wir an Türen horchen?»
    «Beruhigen Sie sich, mein Freund. Gehorcht habe doch nur ich! Sie standen stramm wie ein Soldat daneben.»
    «Aber gehört habe ich es trotzdem.»
    «Allerdings. Mademoiselle sprach nicht im Flüsterton.»
    «Weil sie glaubte, dass wir schon weg waren.»
    «Es war eine kleine Täuschung.»
    «Ich bin nicht für solche Sachen, Poirot!»
    «Sie sind eben ein tadelloser Charakter. Aber wir wiederholen uns. Dieses Gespräch haben wir schon bei verschiedenen Anlässen geführt. Sie finden mein Verhalten unsportlich. Und ich erwidere: Mord ist kein Sport.»
    «Aber hier ist doch keine Rede von Mord.»
    «Seien Sie davon nicht so überzeugt!»
    «Mordabsicht – vielleicht. Aber Mord und Mordversuch sind nicht das Gleiche.»
    «Moralisch doch. Aber sind Sie wirklich so sicher, dass wir es nur mit einem Mordversuch zu tun haben?»
    Ich starrte ihn an. «Die alte Miss Arundell starb eines völlig natürlichen Todes.»
    «Sind Sie dessen so sicher?», wiederholte er.
    «Jeder sagt es!»
    «Jeder? Oh, là, là!»
    «Der Arzt sagt es, Doktor Grainger muss es ja wissen.»
    «Ja, er müsste es wissen. Aber oft und oft wird eine Leiche exhumiert, und jedes Mal hat der behandelnde Arzt im besten Glauben einen Totenschein ausgestellt.»
    «Miss Arundell starb an einem langwierigen Leiden.»
    «So scheint es», versetzte Poirot in unzufriedenem Ton.
    Ich sah ihn neugierig an. «Poirot, gehen Sie in Ihrem beruflichen Eifer nicht vielleicht zu weit? Sie wollen, dass es ein Mord ist, und daher muss es ein Mord sein.»
    «Ein kluges Wort, Hastings. Sie rühren an einen wunden Punkt. Mord ist mein Geschäft. Ich bin wie ein großer Chirurg, der sich auf – sagen wir – Blinddarmentzündungen spezialisiert hat. Ein Patient sucht ihn auf, und er betrachtet den Patienten lediglich als Blinddarmkranken. Es kommt ihm gar nicht der Gedanke, der Mann könnte an etwas anderem leiden… So bin ich. Ich frage mich immer: ‹Kann das ein Mord sein?› Und sehn Sie, mein Freund, die Möglichkeit besteht fast immer.»
    «In diesem Fall ist die Möglichkeit aber sehr gering.»
    «Sie starb, Hastings, darum kommen Sie nicht herum! Sie starb!»
    «Sie war krank und über siebzig. Mir erscheint das ganz natürlich.»
    «Erscheint es Ihnen auch natürlich, dass Theresa Arundell ihren Bruder mit solcher Heftigkeit einen Esel nannte?»
    «Was hat das damit zu tun?»
    «Viel! Sagen Sie mir einmal, was halten Sie von Charles Arundells Behauptung, dass seine Tante ihm ihr zweites Testament gezeigt habe?»
    Vorsichtig fragte ich zurück: «Was halten Sie davon?»
    «Ich finde es interessant, hochinteressant. Auch die Wirkung auf Theresa. Das stumme Duell der beiden lässt tief blicken, sehr tief.»
    «Hm!», sagte ich verständnislos.
    «Es erschließt deutlich zwei Wege der Nachforschung.»
    «Die beiden sind ein nettes Gaunerpaar. Zu allem bereit. Das Mädchen ist zum Staunen hübsch. Und Charles ist jedenfalls ein sympathischer Halunke.»
    Poirot rief ein Taxi und gab dem Lenker den Auftrag, uns zu Clanroyden Mansions in Bayswater zu fahren.
    «Miss Lawson ist also unsere nächste Station?», fragte ich. «Und dann die Tanios?»
    «Sehr richtig, Hastings.»
    «Welche Rolle werden Sie hier spielen?», erkundigte ich mich, als der Wagen vor Clanroyden Mansions hielt. «Den Biografen General Arundells, den Käufer von Littlegreen House oder eine noch klüger ausgetüftelte Rolle?»
    «Ich werde einfach Hercule Poirot sein.»
    «Welche Enttäuschung!», spottete ich, aber er warf mir nur einen Blick zu und bezahlte den Taxichauffeur.
    Miss Lawson

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