Der Ball spielende Hund
brauchen mir nicht zu glauben. Nehmen Sie das!» Er drückte ihr den dicken Briefumschlag in die Hand, den er am Morgen versiegelt hatte. «Ein Bericht über den wahren Sachverhalt. Wenn Sie ihn gelesen und für richtig befunden haben, rufen Sie mich an. Meine Nummer steht auf dem Briefpapier.»
Zögernd nahm sie den Umschlag entgegen.
«Und nun noch eins. Sie müssen das Hotel sofort verlassen!»
«Warum?»
«Fahren Sie ins Coniston Hotel beim Euston-Bahnhof. Sagen Sie niemandem, wohin Sie gehen!»
«Aber – Minnie Lawson wird meinem Mann doch bestimmt nicht sagen, wo ich bin!»
«Sie glauben nicht?»
«O nein, sie ist ganz auf meiner Seite.»
«Aber Ihr Mann, Madame, ist sehr klug. Es wird ihm ein Leichtes sein, eine Frau vom Schlag Miss Lawsons bis ins Letzte auszuholen. Es ist unerlässlich – unerlässlich! –, dass Ihr Mann nicht weiß, wo Sie sich aufhalten.»
Sie nickte stumm. Poirot reichte ihr ein Blatt. «Hier die Adresse! Packen Sie, und fahren Sie mit den Kindern so bald als möglich hin. Sie müssen an Ihre Kinder denken, Madame!»
Er hatte das Richtige getroffen. Ihre Wangen röteten sich schwach, sie hob den Kopf. Nun war sie nicht länger das verstörte, willenlose Werkzeug, sondern eine entschlossene Frau.
«Abgemacht!», sagte Poirot.
Wir verabschiedeten uns. Von einer nahen Konditorei aus beobachteten wir den Hoteleingang. Etwa fünf Minuten später kam Dr. Tanios vorbei. Er warf nicht einmal einen Blick auf das Wellington Hotel, sondern bog mit gesenktem Kopf in eine Seitenstraße zur Untergrundbahn ein.
Etwa eine Viertelstunde später stieg Mrs Tanios mit ihren Kindern und dem Gepäck in ein Taxi und fuhr davon.
«Bien», sagte Poirot und stand auf, um zu zahlen. «Wir haben unsere Arbeit geleistet. Das Übrige ruht im Schoß der Götter.»
27
Dr. Donaldson erschien Punkt zwei Uhr, ruhig und sachlich wie immer.
Der junge Arzt war mir ein Rätsel. Ich hatte ihn für einen unscheinbaren Menschen gehalten und nicht begreifen können, was ein lebhaftes, temperamentvolles Geschöpf wie Theresa an ihm fand. Aber jetzt begann ich zu verstehen, dass Donaldson nicht zu unterschätzen war. Hinter seiner Pedanterie lag Kraft.
Als wir uns gesetzt hatten, begann er: «Der Grund meines Besuchs ist folgender. Ich bin mir nicht ganz klar, Monsieur Poirot, welche Rolle Sie in dieser Sache spielen.»
Bedachtsam fragte Poirot zurück: «Sie kennen doch meinen Beruf?»
«Gewiss. Ich habe Erkundigungen über Sie eingeholt.»
«Sie sind ein vorsichtiger Mann, Doktor.»
«Ich bin gern im Bilde», versetzte Donaldson trocken. «Die Auskünfte über Sie lauten alle gleich. Man hält Sie für sehr tüchtig in Ihrem Fach, und Sie stehen in dem Ruf, korrekt und ehrlich zu sein.»
«Zu schmeichelhaft», murmelte Poirot.
«Gerade deshalb verstehe ich Ihre Rolle bei dieser Sache nicht.»
«Und die ist doch so einfach!»
«Kaum. Erst treten Sie als Biografieschreiber auf – »
«Eine verzeihliche Irreführung, meinen Sie nicht auch? Man kann nicht umhergehen und überall sagen, dass man Detektiv ist – obwohl sich auch das manchmal als nützlich erweist.»
«Dann», fuhr Dr. Donaldson fort, «suchen Sie Miss Theresa Arundell auf und spiegeln ihr vor, dass sich das Testament ihrer Tante anfechten lässt.»
Poirot neigte zustimmend den Kopf.
«Das war natürlich lächerlich», sagte der junge Mann scharf. «Sie wissen ganz genau, dass das Testament rechtsgültig ist und sich nichts dagegen machen lässt.»
«Sie sind dieser Ansicht?»
«Ich bin doch kein Narr, Monsieur Poirot – »
«Nein, Doktor Donaldson, bestimmt nicht.»
«Ich verstehe auch etwas – nicht viel, aber doch genug – von den Gesetzen. Das Testament ist unanfechtbar. Warum behaupten Sie das Gegenteil? Offenbar aus nur Ihnen bekannten Gründen – Gründen, von denen Theresa keine Ahnung hat.»
«Sie scheinen die junge Dame sehr genau zu kennen.»
Ein leises Lächeln erschien auf den Lippen des jungen Arztes. «Ich kenne Theresa viel besser, als sie ahnt. Zweifellos bilden sich Charles und sie ein, Sie für eine fragwürdige Sache gewonnen zu haben. Charles besitzt nicht eine Spur von Moral. Theresa ist – die Tochter ihrer Mutter und unter ungünstigen Verhältnissen aufgewachsen.»
«Sie sprechen von Ihrer Verlobten wie von einem Versuchskaninchen.»
Donaldson sah ihn durch den Kneifer an. «Ich wüsste nicht, warum ich der Wahrheit nicht ins Auge blicken sollte. Ich liebe Theresa Arundell – liebe sie als das,
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