Der Bann Der Magie
»Eh«, sagte Grian und stieß ihn erneut an. »Sei vorsichtig, ja? Das Leben ist schwer genug.«
»Grian«, sagte Harran und überraschte sich selbst damit -vielleicht lag es am Wein - , »warst du je in einer Lage, in der du alles hattest, was du wolltest, alles - und dann hast du festgestellt, daß es nichts nutzt?«
Grian blickte ihn ein wenig verwirrt an und kratzte sich am Kopf. »Ist so lange her, daß ich irgendwas bekommen hab', was ich wollt'«, antwortete er leise. »Hast du Probleme daheim?«
»Gewissermaßen.« Dann zwang er sich, mehrere Minuten stillzubleiben, und ließ Grian trinken. Er hatte das Ganze angefangen. Es war seine Idee gewesen, eine ilsigische Göttin auf die Welt zurückzuholen, damit sie die Dinge wieder in Ordnung brachte. Und die noch verrücktere Idee etwas später, dieser Göttin persönlich zu dienen - der Stoff, aus dem Phantastereien sind - , stammte auch von ihm. Ebenso war es seine Idee gewesen, eine kleine, messerwetzende Schwachsinnige als Dienerin und Bettwärmerin aus dem Basar mit sich nach Haus zu nehmen. Jetzt war die Schwachsinnige normal und nicht sehr glücklich; die Göttin war hier und sterblich und sogar noch unglücklicher; seine Hündin war in der Hölle, und obwohl es ihr dort recht gut gefiel, hatte sie Sehnsucht nach ihm - und er noch viel mehr nach ihr; er selbst war nicht mehr völlig sterblich, und er war auch der Grund dafür, daß ihnen der Himmel unter der Nase weggeschnappt worden war. Seine Schuld, alles seine Schuld. In dieser Welt, auf der der Tod alle Schlachten gewinnt und in der es abwärts geht, hatten seine Phantastereien sich erfüllt und waren dann prompt zu etwas Unerfreulichem geworden.
Etwas mußte getan werden.
Etwas würde getan werden! Er würde etwas unternehmen.
»Ich muß gehen«, sagte er. »Behalt den Wein.«
»He, he! Was ist mit diesen Zwillingneugeborenen, die ich für dich konserviert hab? Sind an der komischsten Stelle zusammengewachsen, sieh sie dir an.«
Aber Harran war bereits gegangen.
»He!« brüllte ihm Grian ohne große Hoffnung nach. »Du hast deine Henne vergessen!« Dann seufzte er, trank den Wein aus und griff wieder nach seinem Messer.
»Na gut, dann gibt's am Abend eben Suppe, nicht wahr, Hühnchen?«
Mittags trafen die drei sich nicht, und am Abend wurde es sehr spät. Siveni kam erst gegen Mitternacht heim, weiß von Steinstaub. Sie setzte sich an den wackligen Tisch und starrte düster auf die Platte. Mriga und Harran lagen im Bett. Sie achtete nicht auf sie.
»Iß was«, riet Harran, der die Decke bis zum Kinn gezogen hatte. »Der Topf hängt am Kesselhaken.«
»Ich habe keinen Hunger«, murmelte Siveni.
»Dann komm ins Bett«, sagte Mriga.
»Dazu habe ich auch keine Lust.«
Harran und Mriga blickten einander erstaunt an. »Das ist neu!«
Siveni ließ das Ziegenfell von der Schulter rutschen und warf es über einen Stuhl. »Was nützt es, meine Jungfräulichkeit zu verlieren«, sagte sie, »wenn ich sie jeden Morgen zurückbekomme?«
»Manche würden dafür töten«, meinte Mriga.
»Ich nicht. Es tut weh und wird langweilig. Wenn ich gewußt hätte, was es bedeutet, hier unten eine jungfräuliche Göttin zu sein, wäre ich lieber eine Fruchtbarkeitsgöttin geworden.«
Mriga setzte sich im Bett auf, wickelte eine Decke um sich und schwang die Beine über die Kante. »Siveni«, sagte sie leise, »hast du je daran gedacht, daß wir vielleicht gar nicht mehr wirklich Göttinnen sind?«
Siveni blickte auf, doch nicht, um Mriga anzusehen, sondern das vermodernde Wandgemälde, auf dem Eshi einen Schleiertanz aufführte, Ils göttlich prächtig und alles eitel Jugend und Luxus und göttliches Vergnügen war. Ihr Blick war zornig. »Warum«, sagte Siveni ebenso leise, »teilen wir dann dieses verdammte Herzensband wie gute Dreieinigkeiten, und ich kann euch beide den ganzen Tag denken hören, wie unglücklich ihr seid, wie leid ich euch tue, wie sehr ihr die Hündin vermißt, und daß wir für immer hier gefangen sind?«
Harran setzte sich ebenfalls auf und warf das andere Ende der Decke über seinen Schoß. »Wir sind ohne Beispiel, glaube ich. Eine Mischung. Göttlich, ohne im Himmel zu sein, sterblich, ohne.«
»Ich will zurück!«
Stille setzte ein.
»Nach diesem Job«, sagte sie. »Harran, es tut mir leid. Ich bin nicht eine dieser sterbenden-und-wiedergeborenen Göttinnen, die das Korn reifen lassen, und die von sterblich zu göttlich hin und her wechseln. Ich bin einfach keine! Es
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