Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
übernatürliche Kräfte zu. Aber warum sollte sie auch nicht solche verrückten Gedanken hegen? Zusammen mit einem Mann, für den sie tiefe Gefühle hegte, war sie zu einer Welt unterwegs, über die sie nur wenig wusste und die vom ältesten Feind der Erde bevölkert war.
Warum setzte sie ihr Leben für einen Mann aufs Spiel, der ihr soeben gesagt hatte, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie geben konnte?
15
Keine schlechten Nachrichten zu überbringen,
ist beinahe so gut wie gute Nachrichten zu überbringen. Keltisches Sprichwort.
Beeindruckt und von dem schnittigen Raumschiff verblüfft sah sich Rion um und übernahm die Steuerung. Er sehnte sich danach, die Navigationsinstrumente einzusetzen und sich zu vergewissern, dass sie den richtigen Kurs nach Ehro eingeschlagen hatten.
Da sich Merlin auf den Kontrollvorrichtungen niedergelassen hatte, warf Rion einen Blick aus dem Sichtfenster und erkannte, dass sie bereits auf seinen Heimatplaneten zuflogen.
Rions Neugier und seine Freude darüber, dass sie den Unari-Vollstreckern entkommen waren, verflüchtigten sich, als er Marisa ansah. Sie drehte den Kopf zur Seite. Aber er musste nicht erst ihr Gesicht sehen, um ihre Wut wahrzunehmen.
Bei jeder anderen Frau hätte er seine Lügen mit einem Schulterzucken abgetan. Die Verheimlichung seiner Identität war wichtiger als irgendwelche verletzten Gefühle.
Aber dies hier war Marisa. Also die Frau, die er entführt und die ihm trotzdem ihre Hilfe angeboten hatte. Es war Marisa, die ihr Leben gerade bereitwillig riskierte und damit einverstanden war, ihre telepathische Gabe zur Rettung seines Volkes einzusetzen.
Und er hatte sie verletzt. Zutiefst verletzt sogar. Er erkannte es an ihrer steifen Haltung und an der Art, wie sie sich weigerte, ihn anzusehen.
Er holte tief Luft und trat näher an sie heran. »Es tut mir leid, dass ich dir nicht die Wahrheit sagen konnte.«
»Deine Entschuldigung hilft mir aber nicht.« Sie hob eine Braue, und die Traurigkeit in ihrer Stimme war ein zusätzlicher Hinweis auf ihren Schmerz.
»Erlaubst du mir, dass ich weiterspreche?« In der Hoffnung, dass sie sich dort zu ihm setze, begab er sich zu einer gepolsterten Sitzbank.
»Warum?« Sie sah ihn mit großen, traurigen Augen an. »Ich sehe nicht, was das nützen soll.«
Er beachtete ihre Bemerkung nicht weiter. Und er ignorierte auch ihre Weigerung, sich neben ihn auf die Bank zu setzen. »Als mein Vater in seiner Vision meinen Tod gesehen hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, den Mörder zu erkennen. Der einzige Hinweis, der zu meiner Rettung dienen konnte, war mein Alter zur Zeit des Attentats. Er schätzte es zwischen drei und fünf Jahren.«
»Da du noch immer lebst, gehe ich davon aus, dass die List deines Vaters die Zukunft tatsächlich verändern konnte.«
»Ja. Erik und ich wurden in einem Abstand von drei Wochen geboren. Mein Vater hat uns kurz nach unserer Geburt ausgetauscht. Erik wurde als Prinz erzogen und lebte zusammen mit meinen Eltern im Palast.«
»Und du wurdest zu deiner Tante und deinem Onkel geschickt?«, vermutete sie. »Wie ist es Erik gelungen zu überleben?«
Er zuckte die Achseln. »Wir wissen es nicht. Vielleicht hat der Austausch unser Schicksal beeinflusst. Es gab auch früher schon Visionen, die es erlaubt haben, die Zukunft zu verändern. Aber obwohl Erik nichts zugestoßen ist, hat mir mein Vater doch nicht erlaubt, an meinen angestammten Platz zurückzukehren.«
»Warum nicht?«
»Er hatte zahlreiche Visionen, die alle mit meinem Tod endeten.« Rion hatte schon lange eingesehen, dass die Handlungen seines Vaters notwendig gewesen waren. »Wenn ich keine Visionen gehabt hätte, hätten mir meine Eltern vermutlich erst bei meiner Volljährigkeit eröffnet, wer ich in Wirklichkeit bin. Aber meine Gabe wird ausschließlich in der Herrscherfamilie von Chivalri vererbt. Daher wurde ich von frühester Kindheit an dazu angehalten, niemandem von meinen Visionen zu erzählen und meine wahre Identität nicht zu enthüllen.«
»Deine Tante und dein Onkel … waren das liebevolle Leute?«, fragte sie.
Seltsam, dass sie sofort zu dem schwierigen Teil seiner Vergangenheit durchdrang.
»Ich wurde gut ernährt, gekleidet und erzogen. Mir hat es an nichts gefehlt – auch nicht an Liebe. Meine Tante und mein Onkel hätten gute Gründe gehabt, diesen Tausch abzulehnen. Gewiss wird es nicht einfach für sie gewesen sein, ihr leibliches Kind wegzugeben.«
Seine Tante und sein Onkel hatten ihr
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