Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
Tyrannisierer hergerührt. Und diese Maschine hatte ihn auf alle Drachenwandler Ehros übertragen. Kein Wunder, dass sich sein Volk von der Herrschaft der Unari nicht befreien konnte.
Heilige Göttin!
Die Drachenwandler, die diese Schmerzen nun schon während dreier endloser Jahre ertragen mussten, wären besser tot. Er betete, dass seine Eltern nicht diese Folter zu erleiden hatten. Aber wenn es einen Mann gab, der solche Schmerzen aushalten konnte, ohne dabei verrückt zu werden, dann war es sein Vater. An seine Mutter dachte er lieber nicht …
Eine Unari-Drohne flog über ihm hinweg und riss ihn aus seinen finsteren Gedanken. Hatten die Kameras ihn erspäht? Würden sie auch Marisa bemerken?
Er hielt sich weiter im Schutz der Bäume, kämpfte sich durch die Schneewehen und suchte nach der Absturzstelle. Er musste Marisa finden, bevor die Unari es taten. Und bevor sie sich verwandelte.
Rion hastete durch den Wald. Dornen zerkratzten ihm das Gesicht und drangen durch die Kleidung bis in die Haut. Aber diese Unannehmlichkeit war nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die er als Drache erlitten hatte. Nichts auch im Vergleich zu dem Leid seines Volkes. Oder gar im Vergleich zu seiner Angst um Marisas Sicherheit.
Sie konnte bei dem Absturz doch nicht umgekommen sein. Wenn er überlebt hatte, dann musste auch sie überlebt haben. Die Angst um sie trieb ihn weiter an. Er erinnerte sich an die Hitze in ihren Augen, als sie sich geliebt hatten, an die Funken, die in der Luft geknistert hatten, als sie auf ihn zugetreten war, und daran, wie sanft und glatt sich ihre Haut unter seinen Fingerspitzen angefühlt hatte – und er verstärkte seine Bemühungen.
Vielleicht lag sie im kalten Schnee auf dem Boden. Ganz allein.
Er war es, der sie hierhergebracht hatte. Er war verantwortlich für sie.
Ohne anzuhalten rannte er durch den Wald. Einmal bemerkte er eine Bewegung zwischen den Bäumen. »Marisa?«
Im Unterholz erspähte er ein Pfeilschwein. Von Marisa hingegen war nichts zu sehen.
Rion schenkte seinen müden Beinen keine Beachtung und trieb sich weiter an. Er sprang über einen Bach und kletterte über einen umgestürzten Baumstamm. Er musste Marisa bald finden und sie schnell in Sicherheit bringen.
Schließlich hatte sie hier niemanden außer ihm. Und sein Volk hatte niemanden außer Rion, der ihm helfen konnte. Wütend ballte er die Fäuste. Wenn das Krieg bedeutete, dann würde er halt einen Krieg beginnen.
Es war vollkommen gleichgültig, dass er selbst den Frieden bevorzugte. Wenn es nötig werden sollte, dass er Männer in die Schlacht und in den sicheren Tod schickte, dann würde er die dazu notwendigen Befehle eben geben. Um Schlimmeres als den Tod zu verhindern: zum Beispiel ein Leben unter der Herrschaft der Unari. Und den Verlust Marisas …
»Rion?« Marisas leise Stimme drang aus geringer Entfernung zu ihm.
Der Göttin sei Dank, sie lebte.
»Ich komme.« Er eilte in die Richtung, aus der ihre Stimme kam. »Ist alles mit dir in Ordnung?«
»Ich weiß nicht.«
Sie klang nicht gut, ihre matte Stimme erschreckte ihn mehr als ihre Worte. Abermals wurde er schneller und taumelte den Berg hinauf an Felsvorsprüngen, umgestürzten Bäumen und dichtem Unterholz vorbei. »Beweg dich nicht. Ich werde dich finden. Sprich einfach weiter.«
Sie gab jedoch keine Antwort. Angst rieselte ihm das Rückgrat herunter. Er hatte ihr versprochen, er werde auf sie aufpassen und nach Hause zurückschicken, sobald sie sein Volk befreit hatte. Und er hatte sich vorgenommen, wieder in ihrer Achtung zu steigen. Er hatte schon seinen Onkel und seine Tante verloren, und vermutlich auch seinen Vetter und seine Eltern. Jetzt wollte er nicht auch noch sie verlieren.
Sein Atem ging heftig, als er den steilen Hang hochkletterte. »Marisa?«
Wieder keine Antwort.
Der Anblick abgebrochener Baumkronen gab ihm einen Hinweis auf die Absturzstelle. Offenbar war er weit geschleudert worden. Rion erkletterte einen Felsen und zog sich mit Finger- und Stiefelspitzen hoch.
Nachdem er oben angekommen war, machte er nicht einmal eine Pause, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Der Anblick, der sich ihm bot, zog ihn weiter voran. Die Trümmer seines Raumschiffes lagen auf einer großen, grasbewachsenen Lichtung verstreut. Schnee trieb über Gras und Trümmern, und Rauch zitterte in der leichten Brise wie ein Leichentuch.
Die automatischen Systeme des Schiffes hatten eine Eigen-Reparatur versucht, waren daran aber
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