Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
gescheitert. Diese Aufgabe war zu groß gewesen. Das Schiff würde nie wieder fliegen.
Weiterhin sah er keinerlei Anzeichen von Marisa.
»Marisa?«, rief er und rannte über das Trümmerfeld. Dann sah er nach rechts, nach links und erinnerte sich daran, wie er im Baum festgehangen hatte; also hob er den Blick zu den wenigen verbliebenen Bäumen.
Und entdeckte eine weitere Drohne.
Hatte er Marisas Stimme wirklich gehört? Oder hatte er sich das nur eingebildet, weil er sie hatte hören wollen?
Er drehte sich einmal um sich selbst und bemerkte eine Bewegung am Rande des Baumkreises. »Marisa?«
Was auch immer er gesehen hatte, es bewegte sich nun nicht mehr. Er schoss in diese Richtung – die so viel wie jede andere versprach.
Als er sie erkannte, wie sie mit dem Rücken gegen einen Baumstamm lehnte und wunderbar lebendig und unverletzt wirkte, wandelte sich seine Angst zu Ärger. Warum hatte sie keine Antwort gegeben?
Sie saß mit erhobenem Kopf und gereckten Schultern im Schnee zwischen dem knorrigen Wurzelwerk, als könnte sie nichts auf der Welt mehr bekümmern. Die Knie hatte sie gegen die Brust gezogen. Die Augen waren geöffnet und blickten nicht in Rions Richtung, sondern geradeaus.
Irgendetwas stimmte nicht. Sie atmete zwar, aber ihr Atem ging flach. So flach, dass er seine wieder aufflammende Angst mühsam bezwingen musste. Er senkte die Stimme und fragte sanft: »Warum hast du mir keine Antwort gegeben?«
Sie reagierte nicht. Weder auf seine Gegenwart noch auf seine Stimme. Da sie vorhin ja einmal geantwortet hatte, war ihr Gehör offenbar nicht durch den Absturz geschädigt worden. Aber jetzt tat sie so, als wäre er gar nicht da.
Hatte sie eine Kopfverletzung davongetragen? Hatten die Ereignisse sie schließlich doch übermannt? Kein Kratzer verunzierte ihr vollkommenes Profil. Keine Prellung war zu sehen. Doch etwas stimmte nicht, und das schnürte ihm den Magen zu.
Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Marisa?«
Sie drehte den Kopf; ihre blauen Augen blickten leer und erkannten ihn nicht. Er keuchte auf, als die andere Seite ihres Gesichts ins Blickfeld kam. Sie war von Blut überzogen; die Kopfhaut hing herab. Blut trat aus einer furchtbaren Wunde aus, vermischte sich mit dem Schnee und verklebte ihr Haar.
Sie schien keine Vorstellung vom Ausmaß ihrer Verletzung zu haben. Und offenbar begriff sie seine Reaktion, die er kaum vor ihr verbergen konnte, überhaupt nicht. Er schob den Arm unter sie und legte sie so auf die Seite, dass die Wunde gen Himmel wies. »Marisa, du hast eine Kopfverletzung. Beweg dich nicht. Ich bin gleich wieder zurück.«
Er brauchte Wasser zum Reinigen der Wunde. Und einen Faden, mit dem er ihre Haut vernähen konnte. Als Militärkommandant besaß er ein wenig Erfahrung in Erster Hilfe, doch nun würde er all sein Geschick brauchen, um die Blutung zu stillen und die Wunde zu schließen.
Die Kälte hatte den Blutfluss verlangsamt. Aber wenn sie sich so nahe am Gehirn eine Infektion zuzog … dann konnte sie …
Nein. Er würde sie nicht sterben lassen.
Wenigstens schien sie nicht unter Schmerzen zu leiden. Aber wenn der Schock nachließ und ihr Gefühl zurückkehrte, bevor er ihre Wunde behandelt hatte, dann würde er ihr noch größere Schmerzen zufügen müssen.
Er eilte davon und suchte nach geeigneten Materialien.
Der Trümmerhaufen wirkte nicht gerade vielversprechend. Rion durfte nicht hoffen, in all dem Schutt einen Erste-Hilfe-Kasten zu finden. Aber er fand eine Menge scharfkantiger Splitter – zwar nicht mit einem Loch für einen Faden am einen Ende, aber dann entdeckte er schließlich ein Metallstück mit einer Kerbe, die möglicherweise einen Faden halten konnte. Sofort steckte er es in die Tasche.
Rion warf einen Blick zum Himmel. Die Drohnen waren verschwunden. Wie lange würde es dauern, bis sie zur Basis zurückkehrten? Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihm blieb. Gewiss würden die Unari jemanden herschicken, der den Absturz untersuchen sollte, und Rion wollte lange vor dessen Ankunft von hier verschwunden sein.
Er fand kein Wasser, keinen Alkohol, keine Baumwollgaze und auch keine Antibiotika. Er stolperte an verbranntem Plastik, Maschinenteilen, Schlauchstücken, Hebeln und vielen anderen Gegenständen vorbei, die so stark beschädigt waren, dass er sie nicht identifizieren konnte. Er wollte bereits umkehren, als er das Tröpfeln von Wasser hörte.
Also musste es in der Nähe einen Bach geben. Rasch hob er ein Röhrenstück auf,
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