Der Bann (German Edition)
sich die Hände. «Etwas zu trinken? Pastete?»
«Danke, nein.»
«Was dagegen, wenn ich …?»
«Nicht im Mindesten.»
«Großartig. Also ich … ich esse etwas. Bin gleich wieder da.» Beckett zwängte sich an einem beladenen Wohnzimmertisch vorbei, kippte eine Box mit Papieren um und verließ den Raum.
Charles schob die Hand in die Manteltasche und fühlte das kalte Metall der Luger. Jetzt, da er hier war, erschien ihm der Gedanke, Beckett könnte nicht Beckett sein, geradezu absurd. Er beobachtete eine Katze, die in den Raum tappte und auf die Sofalehne sprang. Sie betrachtete ihn gleichgültig und gähnte.
Beckett kehrte zurück, in der einen Hand ein Pint Bier, in der anderen ein Stück Fleischpastete, von der ein Bissen fehlte. Als er die Katze sah, fluchte er und verstreute dabei Krümel von Gebäck. «Ramses! Sofort runter da! Also wirklich, Charles – diese elenden Katzen! Die meiste Zeit über kann ich die Biester nicht ausstehen! Ich glaube, ich bin sogar allergisch gegen sie! Ich sollte stattdessen Hunde halten. Bei Hunden weiß man wenigstens, woran man ist. Was für ein törichter Missgriff.»
«Wie viele Katzen haben Sie, Patrick?»
«Fünf. Nein, vier. Drei. Eine hab ich verloren. Oder zwei. Die Nachbarsfrau von unten hasst sie. Ich kann es ihr nicht verdenken. Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass Sie vorbeikommen. Dann hätte ich vorher ein wenig aufgeräumt.» Beckett trank von seinem Ale. «Cheers.»
«Kein Pálinka heute, wie?»
Beckett lachte. «Guter Punkt. Wir sollten wahrscheinlich anstoßen, angesichts Ihrer jüngsten Errungenschaften. Warten Sie, irgendwo hab ich eine Flasche. Aber um ehrlich zu sein, ich hasse dieses Zeug.»
Charles starrte Beckett an. Beckett begegnete seinem Blick, dann sah er zum Kamin. Charles folgte seinem Blick zu der Machete an der Wand. Ihre Augen begegneten sich erneut. Beckett lachte und zeigte seine riesigen Zähne. «So, da sind Sie also. Das ist schön, Charles. Nett, endlich mal wieder richtig plaudern zu können.»
«Ich würde gern an unsere letzte Unterhaltung anschließen.»
«Tatsächlich?»
«Beispielsweise möchte ich, dass Sie mir mehr über die Eleni erzählen.»
«Ah.» Beckett trank einen großen Schluck Bier, dann biss er in die Pastete. Er kaute eine scheinbare Ewigkeit, bevor er den Bissen hinunterschluckte. «Die guten alten Eleni. Die guten? Oder besser die niederträchtigen, verschlagenen? Letzteres ist wohl eher passend, nicht wahr? Wir dachten, Hitler wäre ein Soziopath. War er auch. Genau wie die Eleni.»
«Erzählen Sie mir, was Sie über die Eleni wissen, Patrick.»
«Sie sind der Experte, Charles, nicht ich.»
«Es interessiert mich trotzdem.»
Beckett ließ sich in seinen Sessel sinken. «Ein geheimes Todeskommando, aufgestellt mit dem Ziel, die
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vom Angesicht des Planeten zu tilgen. Allem Anschein nach haben sie ganze Arbeit geleistet.» Er kicherte. «Es sei denn, Sie wissen etwas, das ich nicht weiß.»
«Sie existieren heute noch.»
«Ha. Nachahmer vielleicht. Sie wissen ja, wie das mit diesen Dingen heutzutage läuft.»
«Ich würde gerne noch einmal einen Blick auf die Schriftrolle werfen.»
«Ja, natürlich.» Beckett blinzelte und sah Charles ratlos an. «Äh, welche Schriftrolle?»
«Die Schriftrolle, die Sie mir gestern gezeigt haben, Patrick.»
Der Gelehrte runzelte die Stirn. «Mein guter Freund, wollen Sie den alten Patrick auf den Arm nehmen, oder was?»
«Das königliche Dekret.»
«Charles, ganz ehrlich, ich werde ein wenig alt und ein wenig langsam. Ich muss gestehen, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden. Ich war gestern den ganzen Tag hier.»
«Aber wir haben uns im Botanischen Garten getroffen.»
«Bei meinem Heuschnupfen? Ich kann nicht mal mitten im Winter in den Botanischen Garten! Man sollte glauben, Katzen sind schlimm. Aber versuchen Sie’s bei mir mit Pollen. Ich niese mir die Lunge aus dem Leib, wenn ich auch nur an den Botanischen Garten denke!»
Charles spürte, wie sich seine Brust zusammenzog. «Patrick, wann haben Sie Nicole zum letzten Mal gesehen?»
«Wen?» Der Gelehrte kratzte sich am Kopf. «Ist das etwa eine Art Initiationsritus?»
Ohne ein weiteres Wort sprang Charles auf, rannte durch die Wohnung, die Treppe hinunter und nach draußen auf die Straße.
Nicole lag auf dem Bett, ein Kissen in den Armen, als die Hintertür knallte und Charles ihren Namen rief.
«Hier oben!» Nicole hörte, wie er die Treppe hochgestapft kam,
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