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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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und als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete, rollte sie sich herum und lächelte ihn an.
    Er sah furchtbar aus. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, hatte er sich nicht rasiert. Und seine Augen sahen anders aus. Gehetzt. Ruhelos.
    «Hallo.» Er starrte auf sie herunter und bemerkte das Journal aufgeschlagen auf dem Bett liegen:
European Folklore and Mythology.
«Du hast es also gelesen.»
    Sie zuckte die Schultern. «Die Neugier war am Ende größer.»
    «Sie gewinnt immer. Bei uns allen.»
    «Ist alles in Ordnung mit dir?»
    Er schloss die Tür und kam zum Bett. «Ich denke, wir müssen über ein paar Dinge reden.»
    Sie klopfte auf die Bettdecke. «Ich denke, das sollten wir.»
    «Nicole …» Seine Stimme brach. Er setzte sich auf das Bett, den Kopf gesenkt.
    «Charles, weinst du?»
    Er wischte sich über die Augen und schüttelte den Kopf.
    «Was ist denn?» Sie stützte sich auf einen Arm. «Was stimmt nicht?»
    «Nicole … mein Gott, Nicole. Womit habe ich das Glück verdient, dich zu finden?»
    «Unglaubliches Glück, würde ich sagen.» Sie streckte die Hand nach ihm aus, zog ihn zu sich herunter.
    «Wenn ich dich je verliere …»
    «Du warst ganz nah dran.»
    «Willst du wirklich hierbleiben?», fragte er. «In Oxford?»
    «Du nicht?»
    Er seufzte, berührte ihr Gesicht. «Ich liebe dich so sehr.»
    «Ich weiß. Du hast manchmal eine merkwürdige Art, das zu zeigen, aber ich weiß, dass du mich liebst. Komm her.»
    Sie zog ihn an sich. Und dann – zum ersten Mal seit Wochen – liebten sie sich. Hinterher, nackt in seinen Armen, dachte sie darüber nach, wie sehr sie seine Nähe vermisst hatte. Sie hatte ihn noch nie so verwundbar erlebt, hatte ihn noch nie weinen sehen. Es beunruhigte sie, machte ihr Angst. Sie fragte sich, was die Ursache sein mochte.
    Charles rührte sich. Er drehte sich auf die Seite und starrte ihr in die Augen. «Ich tue, was immer du möchtest.»
    Sie streckte die Hand aus und kraulte ihm den Kopf. «Ich bin ein Glückspilz, schätze ich. Der große Professor Charles Meredith liegt vor mir auf den Knien, bereit, mir jeden Wunsch zu erfüllen.»
    «Ich meine es ernst, Nicole. Was immer du möchtest.» Er sah zum Nachttisch, wo die Tagebücher ihrer Vorfahren ordentlich aufgestapelt lagen. «Was ist das?»
    Nicole lächelte. Es gelang ihr, nicht vor ihm zurückzuzucken. Sie hoffte, dass ihr Gesicht sie nicht verriet. «Ein paar alte Bücher, weiter nichts.»
    Er nickte.
    Sie wollte nach Luft schnappen, zwang sich stattdessen, gemessen zu atmen, und studierte sein Gesicht. Die Kinnpartie, die erschlaffte Haut an seinem Hals, seine buschigen Augenbrauen, das verfilzte Haar.
    Und dann erhob sie sich nackt vom Bett, so gelassen, wie es ihr möglich war. Sie spürte seine Augen auf ihrem Körper, als sie den Morgenmantel anzog. Als sie sich zu ihm umdrehte, grinste er. Ein Raubtiergrinsen.
    «Ich mache uns Kaffee», sagte sie.
    «Ich komme gleich nach.»
    Nicole ging in den Flur. Zwei Tränen rollten über ihre Wangen.
Lass es ihn nicht sehen. Er darf keinen Verdacht schöpfen.
    War Charles tot? War es bereits zu spät? Den Flur entlang zur Treppe. Einen Absatz hinunter und dann noch einmal die gleiche Anzahl von Stufen bis in die Diele.
    Durch zur Küche, wo sie den Wasserkocher füllte, einstöpselte und sich umdrehte und sah, dass der Mann, der aussah wie ihr Ehemann, aber wahrscheinlich nicht ihr Ehemann war, ihr gefolgt war.
    Zitternd öffnete sie einen Schrank und nahm zwei Tassen hervor. Holte die Kaffeepackung aus dem Kühlschrank. Gab ein paar Löffel in die Cafetière. Ließ die Packung fallen bei dem Versuch, sie zurück in den Kühlschrank zu stellen.
    Kaffeepulver ergoss sich in einer braunen Flutwelle über den Boden. «Jesses!»
    Die Kreatur, die möglicherweise nicht Charles war, schüttelte den Kopf. «Nicht schlimm. Wo ist der Besen?»
    «Ich kann das selbst.» Nicole holte Handfeger und Kehrblech und kehrte zitternd das braune Pulver auf. Sie leerte das Blech in den Mülleimer. Das Wasser kochte, und sie goss es in die Cafetière. «Ich habe Sarah gesehen heute Morgen.»
    «Oh, tatsächlich?»
    Es gab keine Sarah. Sie stand mit dem Gesicht zum Tresen, den Rücken zu ihm, und unterdrückte ein Schluchzen. «Sie sagt, du hättest dich bereit erklärt, wieder ihre Französischklasse zu unterrichten.»
    «Oh. Habe ich?»
    «Anscheinend.»
    «Ich kann mich nicht erinnern. Aber ja, gerne.»
    Neben der Cafetière stand der Wasserkocher. Neben dem Wasserkocher der

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