Der Bann (German Edition)
Ja. Darin bist du doch gut.»
Nicole berührte den Griff des Messers. Ihr Magen drehte sich um. Sie befürchtete, sich übergeben zu müssen.
Jakab schnappte nach dem kaputten Bild auf dem Boden und kam mit dem Foto zu ihr. «Wer ist das? Wer ist das?»
Ihre Finger fischten nach dem Griff. Schlossen sich um ihn.
«Das ist Erna, ganz klar. Aber wie? Sie ist tot, Nicole!
Tot!
Und das hier ist ein Farbfoto!» Er hielt ihr das Bild unter die Nase.
Sie zog das Messer heran.
«Muss das wirklich sein, Nicole?» Er hob den Fuß und stampfte auf ihr Handgelenk. Die Knochen gaben knirschend nach. Sie schrie auf und zog den zerschmetterten Arm an sich.
Jakab trat das Filetiermesser durch den Raum. Er bemerkte die anderen Messer und trat sie ebenfalls weg. «All die Zeit der Suche nach dir, Nicole. All die Jahre. Und sieh dich an. Du bist alt! Alt! Alt und tückisch. Bösartig!» Er hielt inne, atmete durch. «Wer ist dieses Mädchen?»
«Das bin ich, Jakab.»
«Lügnerin! Steh auf!»
Sie kreuzte die Beine. «Wo ist Charles?»
«Steh auf!»
«Was hast du mit ihm gemacht?»
«Er ist tot. Und jetzt beantworte meine Frage!»
Sie schrie auf, und ihr Herz drohte zu zerreißen.
Jakab riss an ihrem Arm und zerrte sie auf die Füße. Er warf sie mit dem Rücken gegen den Tresen. «Ich frage dich ein letztes Mal.
Wer
ist sie?
Wo
ist sie?»
Tränen liefen ihr über die Wangen. Nicole starrte das Monster an, das aussah wie ihr Mann, ohne ihr Mann zu sein.
Jakab holte aus und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht.
Als sie zu sich kam, saß sie zusammengesunken auf einem Stuhl in der Frühstücksecke beim Fenster. Ihr rechtes Auge war zugeschwollen. Im Mund hatte sie einen Geschmack nach Blut. Benommen hob sie den Kopf und sah sich um.
Jakab saß ihr gegenüber am Tisch. Er hatte die ruinierte Jacke ausgezogen und trug nun einen von Charles’ Kaschmir-Pullovern. Oxford Blue.
Auf dem Tisch vor ihr standen acht gerahmte Fotos. Er schien das Haus danach abgesucht zu haben, während sie bewusstlos gewesen war. Jedes der Bilder zeigte Hannah.
Hannah als Engel verkleidet bei einer Theateraufführung in der Schule.
Hannah auf einem Spielfeld mit Hockeyschläger und Ball.
Hannah auf einem Trampolin.
Hannah und Charles beim Plantschen im Meer.
«Ihr Name ist Hannah», sagte Jakab. «Und sie ist deine Tochter.»
Nicole schwieg. Sie sah zu ihm hoch. Starrte ihm in die toten Augen.
«Weißt du, ich wollte wirklich nicht, dass das passiert», fuhr er fort. «Ich wollte wirklich, wirklich, dass es funktioniert. Trotz meiner Worte vorhin – dass du alt und bösartig bist – habe ich genossen, was wir im Bett gemacht haben. Deine aggressive Ader hat definitiv auch eine positive Seite.»
Sie spuckte ihn an. Ein dicker Klumpen Blut zerplatzte an seiner Wange.
Er seufzte. «Aber du
bist
bösartig. Es ist eine Schande, ehrlich. Wo finde ich sie?»
«Vorher bringe ich dich um.»
Jakab wischte sich Blut und Speichel aus dem Gesicht. Dann stand er auf und ging durch die Küche. Er kehrte mit einem Tuch zurück, an dem er sich die Finger abwischte.
Er umrundete den Tisch und setzte sich zu ihr. «Du wirst es mir nicht sagen. Ich habe auch nicht geglaubt, dass du es tust. Nicht wirklich, meine ich. Du bist stur. Halsstarrig, genau wie die anderen alle. Kein attraktiver Charakterzug, Nicole.»
Er streckte die Hände nach ihr aus. Sie zuckte zusammen, wollte zurückweichen, doch das führte nur dazu, dass sich um sie herum alles drehte.
Jakab begann zu reden, leise, beruhigend, als spräche er zu einem verwundeten Tier, das er heilen wollte.
Vielleicht ist es das, was ich bin
, dachte sie.
Ein verwundeter Vogel. Zu schwer verwundet.
«Ich werde jetzt deinen Kopf in meine Hände nehmen, ganz sanft, ganz behutsam», sagte er, indem er ihren Kopf packte und die Finger durch die Haare über ihren Ohren schob. «Und du wirst es zulassen,
ganz genau so
, ganz genau so. Du weißt es vielleicht nicht, wahrscheinlich sogar, aber das ist ein ganz alter Zaubertrick der
hosszú életek
. Ein ziemlich guter obendrein. Keine Ahnung, wie er funktioniert – ich weiß nicht mal genau, wie ich es mache. Aber er funktioniert, und das ist schließlich die Hauptsache.»
Sie spürte seine Handflächen an ihren Schläfen, spürte eine plötzliche Wärme aus seinen Händen strömen. Sie wollte den Kopf wegdrehen, doch Jakab hielt ihn fest, während er sie anlächelte, unentwegt anlächelte. Die Wärme aus seinen Händen wurde zu Hitze, und dann
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