Der Bann (German Edition)
besser funktioniert.»
«Autsch.» Er lachte. «Komm schon, das sieht dir überhaupt nicht ähnlich.»
«Du kennst mich nicht.»
«Ich habe das Gefühl, als würde ich dich sehr gut kennen.»
«Du machst dir etwas vor.»
«Ah, Hannah. Es schmerzt mich, diesen Ärger und diesen Hass in deiner Stimme zu hören.»
Sie ging ans Fenster zurück und blickte nach draußen. War der Anruf nur ein Ablenkungsmanöver? «Du hast versucht, Nate zu töten. Was hast du denn anderes erwartet?»
«Darüber haben wir schon gesprochen. Dein Mann hat auf mich gefeuert. Was sollte ich denn tun? Mich hinlegen und sterben?»
«Genau. Das ist genau das, was ich mir wünsche.»
«Ich habe kein Interesse daran, deiner Familie etwas anzutun.»
«Du hast meine Mutter ermordet.»
«Ein weiteres Missverständnis. Ich mache dir keinen Vorwurf, dass du verwirrt bist. Du hast im Verlauf der Jahre so viele Lügen gehört, so viel Gift. Niemand scheint mehr die Wahrheit zu kennen.»
«Aber du.»
«Ich kenne meine Wahrheit.»
«Was willst du?»
«Das, was ich immer wollte, Hannah. Eine ganz kleine und einfache Sache. Etwas so Unbedeutendes, dass es dich praktisch überhaupt nichts kostet, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Ich möchte dich sehen. Einmal. Ich möchte mit dir in einem Zimmer sitzen und dir in die Augen sehen, während ich rede. Ich möchte dir zeigen, wer ich wirklich bin. Und wenn du am Ende immer noch von mir weg willst, wenn du immer noch darauf bestehst, dass es enden muss, dann sei es so. Ich respektiere deine Wünsche.»
«Einfach so?»
«Einfach so.»
«Was hast du mit meinem Vater gemacht?»
«Er ist wohlauf und in Sicherheit.»
«Lass ihn ans Telefon.»
«Das kann ich im Moment nicht, Hannah. Aber er ist in Sicherheit, ich verspreche es. Er wird schon sehr bald wieder bei dir sein.»
«Du lügst.»
«Lügen drücken mir auf den Magen. Darum ziehe ich es vor, die Wahrheit zu sagen.»
Sie drehte sich vom Fenster weg. Sah ihre Tochter, die soeben die letzte der Schrotpatronen am Ende einer geschwungenen Linie aufstellte. Sah die Angst und die Entschlossenheit in ihrem kleinen Gesicht. Sie blickte zu Nate in seinem Lehnsessel, begegnete seinen Augen, sah nach unten auf den nassen Fleck in seinem Schoß.
«In Ordnung. Wir treffen uns.»
Ein überraschtes Einatmen. «Ehrlich?»
«Das habe ich doch gerade gesagt. Also los, sag mir, wo.»
«Wo? … Jetzt?»
«Sicher. Ich wüsste keinen besseren Zeitpunkt.»
«Das kommt ein wenig unerwartet. Ich müsste …»
«Ich bin sicher, dass es unerwartet ist. Du solltest dich besser beeilen. Vielleicht ändere ich meine Meinung noch.»
Schweigen auf der anderen Seite. Schließlich: «Ich rufe dich zurück. Auf Wiedersehen, Hannah. Du hast die richtige Entscheidung getroffen.»
Sie legte auf, lehnte sich gegen die Tür und schloss die Augen.
«Es ist ein Trick», sagte Sebastien. «Er will dich eigentlich gar nicht treffen. Es ist gegen seine Natur. Er wird nicht zulassen, dass du einfach vor ihn trittst und ihn zur Rede stellst. Er bevorzugt Masken. Und Tricks.»
«Ich habe nicht die Absicht, mich mit ihm zu treffen. Ich habe die Absicht, ihn zu töten. Wenn er abgelenkt ist, während er über das Treffen nachdenkt, verschafft uns das vielleicht einen Vorteil.»
Nate zuckte die Schultern. «Es ist die einzige Taktik, die wir haben.»
«Wir sollten uns überlegen, wie wir hier rauskommen», sagte sie.
«Wir müssen davon ausgehen, dass er das Haus beobachtet», sagte er. «Wir haben zwei Autos. Es gibt nur einen Weg. Über die Brücke und zur Hauptstraße hoch.»
Hannah drehte sich zu Sebastien um. «Gibt es noch andere Fluchtwege?»
Der alte Mann schnitt eine Grimasse. «Jede Menge. Allerdings alle über freies Feld. Der Fluss fließt in den See und wieder hinaus. Im Osten kommen wir nicht rüber. Im Westen, zwei Meilen flussaufwärts, gibt es eine Furt. Die andere Option ist der weite Weg außen herum. Doch das Gelände ist ziemlich unwegsam. Ich glaube nicht, dass wir das riskieren können.»
«Wir haben Geländewagen.»
«Das ist nicht der Grund.» Er neigte den Kopf unmerklich in Nates Richtung.
Sie wusste, dass er recht hatte. Jetzt, da sich seine Wunde wieder geöffnet hatte, konnten sie keine längere Fahrt über unebenes Terrain riskieren. Sie mussten weg von hier, Jakab abschütteln und ein Krankenhaus finden. Und das schnell.
«Also nehmen wir die Hauptstraße», sagte sie. «Er wird uns folgen. Wir versuchen, ihn in den Bergen abzuschütteln.
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