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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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leid, Hannah, aber ich bin Ihnen keine große Hilfe. Sie müssen sich beeilen. Wissen Sie, wohin Sebastien gegangen ist? Wohin er sie bringt?»
    Hannah riss den rechten Arm los, sobald er das Seil entknotet hatte. «Wir hatten einen Treffpunkt für den Notfall vereinbart.» Sie arbeitete an den Knoten, mit denen ihr linker Arm an die Lehne gefesselt war, während Gabriel ihre Füße losband. Dann war sie wieder frei.
    «Los, laufen Sie. Ich finde Sie.»
    Hannah sprang vom Stuhl auf, doch sie hatte nicht mit den stechenden Schmerzen gerechnet, die durch ihre Beine schossen, als das Blut wieder anfing zu fließen. Sie fiel gegen den Tresen und hielt sich für einen Moment daran fest. Atmete tief durch, berappelte sich. Dann stieß sie sich ab und humpelte wankend durch den Raum. Sie schaffte es bis zur Tür, hielt sich am Türrahmen fest und schwang sich nach draußen in den Flur.
    Der Tote lag am Fuß der Treppe. Sie wollte über ihn hinwegsteigen, als sie oben im Flur etwas hörte. Die Dielenbretter knarrten, und dann erschien Sebastien auf der Treppe. Als er sie sah, erstarrte er. Dann veränderte sich sein Gesicht, und ein Ausdruck elenden Mitgefühls erschien. Er schüttelte den Kopf.
    Hannah schrie.
    Nein.
Nein, sie wollte es nicht glauben.
    Er musste sich irren. Er hatte nicht richtig nachgesehen. Er kannte das Haus nicht so gut wie sie. Er kannte nicht alle Verstecke.
    «Leah!»
    Es war völlig unmöglich, dass Sebastien sämtliche Verstecke kontrolliert hatte, die ein so schlaues und tapferes und wunderschönes Mädchen wie Leah gefunden hatte. Es konnte nicht sein, dass er ihr sagen wollte, dass ihre kleine Tochter verschwunden war.
    Aber du kennst die Wahrheit. Du weißt, was passiert ist. Du hast immer gewusst, dass es eines Tages passieren könnte, wenn du nicht stark genug bist.
    Er hat sie gefunden, Hannah.
    Jakab hat sie gefunden, und er hat sie mitgenommen. Es gibt niemanden außer dir selbst, dem du einen Vorwurf deswegen machen könntest. Und wenn du nicht sofort handelst, wenn du noch eine einzige weitere Sekunde ungenutzt verstreichen lässt, dann hast du nicht die kleinste Chance, Leah jemals wiederzusehen.
    Sie schob sich an Sebastien vorbei. Die Treppe hinauf. Trat die erste Tür auf der linken Seite auf. Sah die
Főnök
bewusstlos auf dem Bett liegen. Sah ihren Leibwächter Illes, der sich über sie beugte. Wich zurück in den Flur. Stieß die nächste Tür auf. Wäschekammer. Stapel von Decken. Sie zerrte die Decken nach draußen. Suchte nach Verstecken. Fand keine. Öffnete die Tür rechts. Leahs Kinderzimmer. Entdeckte die aufgeschnittene gelbe Plastikfessel auf dem Bett.
    Er hat sie. Wenn du je daran gezweifelt hast, jetzt weißt du es.
    Zurück in den Flur, ins Badezimmer.
    Weiße Fliesen. Badewanne. Handtücher. Toilette. Waschbecken.
    Keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Kein Versteck. Ein letztes Zimmer hatte sie noch nicht gesehen. Das Schlafzimmer am Ende des Gangs. Sie rannte hin. Stieß die Tür auf.
    Ein Doppelbett. Jede Menge Platz darunter. Ein Schrank in der Ecke, alt und groß und geräumig. Bodenlange Vorhänge. So viele Verstecke, doch keines war von Bedeutung, nicht ein einziges. Weil eine der Balkontüren offenstand und eine Brise, die nach Lavendel roch, hereinwehte, zusammen mit der tiefstehenden Herbstsonne und der schrecklichen und endgültigen Gewissheit, dass es zu spät war. Sie konnte nicht länger verleugnen, was geschehen war, konnte nicht länger hoffen, konnte nur an das Gesicht ihrer kleinen Tochter denken und an das Versprechen einer Mutter, dass alles in Ordnung kommen würde, und daran, was für eine Lüge das gewesen war.

Kapitel 26
    Region Aquitaine, Frankreich
    Heute
    H annah taumelte im Kreis und schrie und schrie und schrie. Es fühlte sich an, als würde sie stehen und als würde sich der Raum um sie herum drehen. Das Schlafzimmer war eine Kathedrale aus Licht. Nate hatte die Wände weiß gekalkt und eine Dachluke zwischen die hohen Eichenbalken eingesetzt. Herbstsonne fiel herein, grellweiße Strahlen, die durch die Fenster und die Luke reichten und sie badeten, bleichten, reinigten.
    Für einen Moment verlor sie sich im Licht und drehte sich in seinem Glanz. Wenn die Hitze der Sonne sie verdampfen könnte, würde sie es willkommen heißen? Wenn sie die Sonne dazu bringen könnte, sie mit Energie zu überfluten, ihre Erinnerungen zu entzünden, den Schmerz wegzubrennen, jeden Partikel von ihr in Asche zu verwandeln, jede verletzte Faser, wenn sie

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