Der Bann (German Edition)
die Vorgehensweise seines neuen Freundes nach und sog den Dampf von der kleinen Tablette in die Lunge. Im ersten Moment war es eine scharfe, unangenehme Empfindung, ein bitterer Geschmack in der Kehle. Er atmete aus und sah, wie Krisztina ihre Pfeife anzündete und über irgendetwas kicherte, das Márkus zu ihr sagte.
Sie unterhielten sich weiter. Die Konversation war genauso bedeutungslos und sinnentleert wie zuvor. Der Mann brachte weitere Pfeifen. Nach einer Weile spürte Lukács, wie sich ein eigenartiger Friede über ihn herabsenkte. Ein taubes Gefühl hatte sich in seinen Gliedmaßen ausgebreitet, und seine Sicht war weich geworden. Er studierte Márkus und Krisztina und sinnierte darüber, wie viel Glück er gehabt hatte, den beiden begegnet zu sein. Er wärmte seine Pfeife und inhalierte den Opiumdampf aus vollen Zügen tief in die Lunge.
«Lukács.
Lukács!
» Márkus grinste ihn an. «Sieh ihn dir an, Krisztina! Sieh in seine Augen. Gefällt es dir, Lukács?»
Lukács nickte lachend. Seine Lippen fühlten sich an wie Gelee. «Ich will noch eine Pfeife.»
«Wo ist deine Börse?»
Lukács warf ihm die Geldbörse zu, dann wurde ihm bewusst, dass er gegen Krisztinas Oberkörper lehnte und sein Arm ihre Brust berührte. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie sich so nah gekommen waren, doch er zögerte, sich zu bewegen, aus Angst, sie könnte sich entfernen. Von seinem Blickwinkel aus konnte er den Ansatz ihrer Brüste sehen und den sanften Kurven bis tief in die Schatten des Dekolletés folgen. Krisztinas Sinnlichkeit und ihre Nähe berauschten ihn nach und nach genauso stark wie das Opium. Er blinzelte, blickte auf und stellte fest, dass sie ihn beobachtet hatte. Bestürzt sah er zu Márkus, doch sein neuer Freund war zu sehr mit der Opiumpfeife beschäftigt, als dass er etwas bemerkt hätte.
Sie rauchten weitere Pfeifen. Die Unterhaltung flaute ab. In Lukács breitete sich ein Gefühl von völliger Ruhe und Gelassenheit aus. Alles war
richtig
, wie es war. Er bemerkte, dass Márkus nichts dagegen zu haben schien, dass er so dicht bei Krisztina saß oder dass sie mit ihm flirtete. Er schien genau zu wissen, wo er stand, und er schien auf Lukács’ Ehre zu vertrauen. Beides machte ihn glücklich. «Weißt du, Márkus, dass du die schönste aller Frauen hast?», begann er nach einem Moment des Nachdenkens. «Glückwunsch zu deinem erlesenen Geschmack.»
Márkus kicherte und hob seine Pfeife. «Danke gleichfalls.»
Lukács spürte, wie Krisztina ihn anstarrte. Als Márkus sich erneut mit einer Pfeife beschäftigte, begegnete er ihrem Blick. Es lag eine Menge Vertraulichkeit in diesem Austausch. Wie eigenartig, dachte er. Das
végzet
war so schiefgegangen, doch hier schien er ein wahrer Experte in Kommunikation allein mit den Augen zu sein.
Er beschloss, ein Risiko einzugehen. Márkus kauerte über der Öllampe, als er die Hand ausstreckte, eine blonde Locke aus Krisztinas Gesicht strich und mit den Fingern über ihre Wange fuhr.
Ihr Mund klappte auf. Sie warf einen Blick zu Márkus, um zu sehen, ob er etwas bemerkt hatte. Als sie wieder zu Lukács sah, waren ihre Wangen leicht gerötet. Sie wechselten keine Worte, doch sie zog sich nicht von ihm zurück.
Sie blieben noch eine ganze Stunde nahezu komatös auf der Matratze, bis Lukács an die Kutsche dachte. Er zog seine Uhr hervor und stieß einen Fluch aus. Der Kutscher würde nicht die ganze Nacht auf ihn warten, und er kannte den Weg zum Haus von Szilárd nicht. Er weckte seine beiden neuen Freunde und informierte sie, dass er los musste, auf der Stelle. Sie richteten sich auf, blinzelten benommen, dankten ihm mit lallenden Stimmen.
«Ich will das noch mal machen», sagte Lukács. «Ich bin in einer Woche wieder in Buda. Wo finde ich euch?»
Márkus kramte einen Fetzen Papier hervor und zeichnete eine einfache Skizze. «Hier, in diesem Lokal kannst du uns finden.» Er grinste und schlug Lukács auf die Schulter. «Und bring deine Geldbörse mit!»
Lukács mühte sich auf die Beine. Sie fühlten sich an wie Pudding. Er schüttelte Márkus die Hand und verabschiedete sich mit einem gekünstelten Handkuss von Krisztina.
«Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, Lukács», sagte sie.
Ihre Augen verrieten ihm alles, was er wissen musste.
Kapitel 7
Oxford
1979
A ls Charles am Morgen, nachdem er Nicole und ihre Mutter mit zu sich nach Hause genommen hatte, in seine Küche kam, fielen ihm zwei Dinge auf. Erstens – die Hintertür stand
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