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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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war nur ein wenig früher, als du gedacht hast, das ist alles. Nichts Weltbewegendes, wirklich. Wir sehen uns morgen.»
    Mit diesen Worten wandte er ihr den Rücken zu und schlenderte pfeifend davon, den Hügel hinunter in Richtung Stadt. Der Himmel war unterdessen dunkel geworden, und die Nacht hatte eingesetzt.
     
    Er ging nicht auf dem kürzesten Weg zum Hotel, weil er das Bedürfnis hatte, sich noch ein wenig zu bewegen. Er liebte diese neue Bewegungsfreiheit, zu tun, was er wollte, zu gehen, wohin er wollte. Einem Impuls folgend, besuchte er die Taverne, in der er seine Freunde kennengelernt hatte. Er trank ein Bier, und als es seinen Durst nicht löschte, trank er noch eins und noch eins. Er stand so sehr unter Adrenalin, dass er den Alkohol erst spürte, als er beinahe völlig betrunken war. Zu diesem Zeitpunkt erschien ihm eine Pfeife Opium als gute Idee, und er probierte auch dies.
     
    Einige Stunden später kehrte er in sein Hotel zurück. Der Portier funkelte ihn böse an, doch es war das dritte Mal, dass sie aufeinanderprallten, und der Bedienstete öffnete ihm wortlos die Tür.
    Der Eingang zu seiner Suite oben im zweiten Stock sah unberührt aus. Er legte das Ohr an die Tür. Von drinnen war kein Geräusch zu hören. Zufrieden sperrte er auf und betrat den Raum dahinter.
    Sein Freund Márkus lag an das Himmelbett gefesselt da wie zuvor. Er war wach. Als er Lukács sah, drohten ihm die Augen vor Schreck aus den Höhlen zu quellen. Er stemmte sich gegen seine Fesseln, gab dumpfe Geräusche von sich und stöhnte laut durch den Knebel in seinem Mund.
    Der falsche Márkus schloss die Tür, trat zu dem Gefesselten und versetzte ihm einen Tritt in die Niere. «Undankbarer Scheißkerl», sagte er. «Das ist dafür, dass du mich einen
hülye
genannt hast.» Er ging zum Bett und streifte seine Kleidung ab. Als er nackt war, reckte und dehnte er sich kurz, bevor er sich auf den Boden legte. Er schloss die Augen, entspannte sich und konzentrierte sich auf seinen Atem.
    Ein Geräusch lenkte ihn ab. Er öffnete die Augen wieder und sah zu dem gefesselten jungen Mann, der ihn voller Entsetzen anglotzte. «Herrgott noch mal, Márkus, das ist auch so schwierig genug, ohne dass du mich unablässig anstarrst!»
    Eigenartigerweise war es nicht so schwer, wie er geglaubt hatte. Es gab Schmerzen, sicher, doch die Rücktransformation war nicht annähernd so strapaziös wie befürchtet. Es fühlte sich an, als flösse sein Körper fast von allein in eine Form, die er bereits kannte, eine Erinnerung an sich selbst. Als er fertig war, öffnete er die Augen und sah Márkus an. Aus dem Gesicht des jungen Mannes war jegliche Farbe gewichen.
    «Überraschung!», sagte Lukács und musste selbst lachen, als ihm das Absurde der ganzen Situation bewusst wurde. Er ging zum Spiegel und untersuchte sein Gesicht, bevor er die Haare vom Boden auffegte und aus dem Fenster warf. Dann zog er ein Messer aus der Tasche.
    Márkus zuckte und wand sich, als Lukács über ihm stand. Lukács beugte sich vor und durchtrennte Márkus’ Fesseln. Er schnitt den Knebel auf, dann zog er sich zum Bett zurück.
    «Zieh dich an», befahl er.
    Sein Freund hatte stundenlang gefesselt in der Suite gelegen. Er konnte sich nicht schnell bewegen. Zitternd und taumelnd nahm er seine Sachen, ohne den Blick von Lukács zu nehmen.
    Schließlich fand er seine Stimme wieder.
«Hosszú élet …»
, flüsterte er. «Du bist ein
hosszú élet

    «Eine scharfsinnige Beobachtung, Márkus.»
    «Lukács … bitte lass mich am Leben.»
    Lukács verdrehte die Augen und sah zur Decke. «Warum um alles in der Welt glaubt heute jeder, ich wollte ihn umbringen?» Er schüttelte den Kopf. «Ich habe nicht vor, dich zu töten, Márkus. Ich will nur, dass du dich anziehst.»
    Nachdem Márkus seine restlichen Sachen angezogen hatte, führte Lukács ihn nach draußen auf den Korridor, die Treppe hinunter und durch das Foyer auf die Straße. Draußen angekommen zupfte er ihm ein Farnblatt vom Hemd. Der junge Mann schien zu verängstigt, um irgendetwas zu unternehmen, außer dazustehen und auf Instruktionen zu warten.
    «Wir werden uns nicht wiedersehen, Márkus. Viel Glück bei allem. Versuch in Zukunft nicht mehr schlecht über andere Leute zu reden. Man weiß nie, ob sie vielleicht zuhören. Hier …» Er kramte in seiner Tasche und zog seine Geldbörse hervor. Als Márkus sich immer noch nicht rührte, ergriff er seine Hand und drückte ihm die Börse hinein. «Als

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