Der Bann (German Edition)
Thúry stapfte aus dem Zimmer.
Er lief bis zum Sonnenuntergang durch die Straßen von Buda. Es war aufregend, sich unter die Massen zu mischen. Die Geräusche der Stadt schienen lauter, die Farben lebendiger, der Gestank noch widerlicher.
Auf der Batthány tér erblickte er Krisztina auf einer Bank unter einer steinernen Statue. Sie trug dasselbe fleckige, verdreckte Kleid wie immer, mit seiner engen Taille und dem voluminösen Rock. Sie saß mit den Oberschenkeln auf den Händen und starrte in den Himmel hinauf, als wäre sie in einen Tagtraum versunken. Márkus Thúry beobachtete sie eine Weile, bevor er sich näherte. Er wollte sich das Bild von Krisztina einprägen, die Szene so genau einfangen wie nur irgend möglich, damit er sie später nacherleben konnte.
Die Sonne versank hinter einem Hügel, und der Himmel wurde dunkler, mit vereinzelten rosaroten Wolken. In den Fenstern wurden Kerzen entzündet, und Kinder wurden von den Straßen in die Häuser gerufen.
In der verklingenden Hitze des Tages schimmerte Schweiß auf Krisztinas Stirn. Er fragte sich, wie lange sie gearbeitet hatte, bevor sie hergekommen war. Ihre gebräunten Wangen waren schmutzig, doch ihre Hände und Unterarme waren sauber und rau, wo die Haut von der zum Bleichen verwendeten Oxalsäure verätzt war.
Krisztina bemerkte ihn, als er den Platz überquerte. Sie erhob sich, den Kopf auf die Seite gelegt, und sah ihn an. Márkus blieb vor ihr stehen. Blut rauschte in seinen Ohren. Er wollte sie küssen, doch im letzten Moment fiel ihm auf, dass sie nicht mit einem Lächeln auf sein Eintreffen reagiert hatte.
«Du bist zu spät!», sagte sie gereizt. «Ich warte seit fast einer Stunde auf dich!»
«Es gab ein Problem auf der Werft. Es hat eine Weile gedauert, bis wir es gelöst hatten.»
Krisztina beugte sich vor und schnüffelte seinen Atem. «Das ist eine Lüge! Du hast getrunken! Woher hast du das Geld dafür? Ich dachte, du würdest sparen?»
Er öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch dann überlegte er es sich anders. «Okay, zugegeben. Lukács war auf der Werft und hat mich eingeladen. Er hat mich gebeten, ihm einen Gefallen zu tun, und wir sind in eine Taverne um die Ecke gegangen. Er will für immer weg aus Budapest, und wir werden ihn nie wieder sehen. Ich habe ihm eine Fahrt auf einem Dampfer gebucht. Er ist vor einer Stunde nach Norden abgereist.»
«Gut.»
Sie setzte sich in Bewegung, und Márkus hetzte hinter ihr her. «Gut?»
«Ja, gut. Du hast viel zu viel Zeit mit diesem Kerl verbracht. Es war nicht normal.»
«Ich dachte, du magst ihn?»
Sie blieb mitten auf der Straße stehen, die Stirn in Falten gelegt. «Wann habe ich gesagt, dass ich ihn mag? Wann hat
irgendeiner
von uns beiden das gesagt?»
«Was meinst du damit?»
Krisztina stemmte die Hände in die Hüften und reckte ihm angriffslustig das Kinn entgegen. «Was ich meine? Was
ich
meine? Du bist doch derjenige, der plötzlich seinen Tonfall geändert hat. ‹Lass den dämlichen
hülye
doch sein Geld ausgeben, wenn er unbedingt will, Krisztina›», fauchte sie. «‹Ein paar von seinen langweiligen Geschichten sind eine Nacht voller Gratis-Getränke wert.›» Du hältst dich für unendlich clever, Márkus! Ich gebe zu, ich war anfangs von ihm angetan. Aber dieser Mann hat dich genauso benutzt wie du ihn, mindestens. Du willst das nur nicht sehen.» Sie drehte sich von ihm weg und stapfte die Straße hoch.
Er folgte ihr. «Wie kann er mich benutzen? Was meinst du damit?»
«Ich will nicht über ihn reden, ja? Ich bin froh, dass er weg ist, und damit basta. Wo gehen wir überhaupt hin? Was machen wir? Ich würde gerne trinken, aber das können wir uns nicht leisten.»
Er grinste sie an. «O doch, das können wir. Sieh her.» Er zog Lukács’ Geldbörse aus der Hosentasche.
«Woher hast du die?»
«Er gab sie mir.»
«Er hat sie dir gegeben?»
«Ich schwöre, Kris. Weiß ich, was in seinem Kopf vorgeht? Als wir uns bei den Docks verabschiedeten, sah er mir in die Augen, schüttelte mir die Hand und gab mir die Börse. Ich sollte dir ausrichten, dass es ihm leidtäte, dir nicht Lebewohl sagen zu können. Er wünscht dir ein gutes Leben und hofft, dass die Börse ihren Teil dazu beiträgt.»
Ihr Unterkiefer sank herab. «
Das
hat er gesagt?»
«Was für ein
hülye
, oder?»
Krisztina starrte ihn für einen langen Augenblick an. Dann schüttelte sie den Kopf. «Márkus, was soll ich nur mit dir machen?»
Er grinste. «Geh mit mir. Rauf in den
Weitere Kostenlose Bücher