Der Bann (German Edition)
das
végzet
anzunehmen, hatte er den Übergang zum
kirekesztett
unausweichlich gemacht. József konnte machen, was er wollte – nichts würde daran etwas ändern. Vielleicht wäre die Sache anders ausgegangen, wenn er zugehört und wenn er Lukács’ Bitten nachgegeben hätte. Stattdessen hatte er nun beides verloren – seinen Sohn
und
die Respektabilität, die ihm so viel wichtiger war als die Gefühle seiner eigenen Brut. József hatte nicht zugehört. Er hatte nie zugehört. Lukács würde dafür sorgen, dass sein Vater ihm diesmal zuhörte –
richtig
zuhörte –, bevor er Gödöllő ein für alle Mal verließ.
Er musste grinsen – außerstande, seine Selbstgefälligkeit zu verbergen, obwohl sein Magen sich umdrehte und sein Herz raste –, als die Tür zur Bibliothek aufschwang und sein Vater hereinstürmte und abrupt stehen blieb.
József starrte ihn an. Lukács starrte zurück.
Sein Vater atmete ein, und es sah aus, als würde sich die Luft in seiner Kehle verfangen. Er erschauerte. Seltsamerweise füllten sich seine Augen mit Tränen, als er den Raum durchquerte, die Faust erhoben, um seinen Sohn zu schlagen.
Lukács war so überrascht, dass er nicht reagierte. Der Schlag erwischte ihn mit solcher Wucht an der Wange, dass er spürte, wie ein Knochen brach. Er stolperte, fiel auf die Knie. Als er aufblickte, schlug József erneut zu. Blut spritzte aus Lukács’ Nase. Schmerz blendete ihn, er spuckte Blut, und die Faust traf ihn ein drittes Mal am Kopf. Er ging ganz zu Boden, und József trat ihn so brutal in den Magen, dass Lukács die Luft wegblieb.
Er fühlte, wie er von kraftvollen Händen gepackt und hochgerissen wurde. Blinzelte die Tränen weg, um das Gesicht seines Vaters zu sehen, nur Zentimeter vor dem eigenen, die Augen ein wahnsinniger Regenbogen aus Farben. József fauchte und schleuderte ihn von sich. Er krachte mit dem Rücken gegen ein Bücherregal und schlug mit dem Kopf gegen ein Holzbrett. Benommen ging er ein zweites Mal zu Boden. Bücher regneten auf ihn herab. Sein Vater wandte sich ab, ging zu einem Mazarin-Schreibtisch, zerrte eine Schublade heraus und kramte darin.
Lukács versuchte sich auf Heilung zu konzentrieren, darauf, die Verletzungen zu reparieren, die sein Vater ihm zugefügt hatte. Doch er war zu geschockt, um sich zu konzentrieren. «Was … machst du?», stammelte er mit geschwollener Zunge.
«Ich weiß Bescheid, Lukács, hörst du? Ich weiß alles!» Zitternd vor Zorn, zog József die Schublade ganz aus dem Schreibtisch und schüttete den Inhalt auf die Platte. «Der
Főnök
weiß es ebenfalls. Sie alle wissen Bescheid, aber sie haben mir ein Angebot gemacht. Du wusstest, was du tust, als du dieses Mädchen vergewaltigt hast, Lukács. Du wusstest, was die Strafe dafür ist. Der
tanács
duldet nicht, dass schlechtes Blut gedeiht.»
«Warte, Vater! Vergewaltigt?» Er versuchte dahinterzukommen, wie jemand davon wissen konnte, und nachdem er sich darüber klar geworden war, fragte er sich erstaunt, wieso irgendjemand die Geschichte glaubte, so schnell und ohne ihn anzuhören. Insbesondere sein eigener Vater.
Dachten alle
so schlecht
über ihn?
«Lüg mich nicht an, Lukács. Und mach es nicht schwerer für mich, als es ohnehin schon ist.» József fand, wonach er gesucht hatte. Er packte einen Dolch, zog die Klinge aus der Scheide und drehte sie im Licht hin und her. Tränen strömten über seine Wangen. «Du hast mir ein Messer ins Herz gestoßen, so real wie dieses hier.»
Lukács ächzte durch den Schmerz hindurch. Wenn der
tanács
ihn für schuldig befand, war die Strafe der Tod. Mit plötzlicher Klarheit begriff er, dass sein Vater nicht beabsichtigte, es so weit kommen zu lassen. József würde die Demütigung einer Verurteilung seines Sohnes nicht hinnehmen.
Hustend und Blut spuckend, zog sich Lukács am Bücherregal hoch. Die Intensität der Schmerzen in seinem Gesicht und seiner Seite ließ ihn würgen.
József schnellte durch den Raum, rammte Lukács gegen das Regal und setzte ihm die Klinge an die Kehle.
Lukács versuchte den Kopf zu bewegen, doch es ging nicht, ohne dass er sich geschnitten hätte. Konnte er die Wunde schnell genug behandeln, falls sein Vater ihm die Kehle durchschnitt? Möglicherweise. Aber was, wenn József es nicht dabei beließ? Wenn er tiefer schnitt? Der Gedanke versetzte ihn in Panik, und während er dagegen ankämpfte, biss die Messerklinge zu, und der Stahl zog einen feurigen Striemen über seine Kehle.
Das Gesicht
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