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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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hatte sich geschlossen.
    Der Junge öffnete die Augen. Blinzelte. Er starrte seinen Vater an, und József wollte nicht wissen, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn zusammenbrauten.
    Als Lukács sprach, knackte seine Stimme wie berstendes, splitterndes Holz. «Hat es dir nicht gereicht, mich einmal zu töten?»
    «Raus!»
    Seine Augen waren furchtbar. Sie schimmerten mit unfassbarer Intensität. «Du sagst, du hast mich geliebt? Meinst du, das hat mich besänftigt? Du sagst mir, du liebst mich, und dann …»
    «Raus! Mach, dass du verschwindest!», brüllte József. «Meinetwegen verfluche mich, weil ich so schwach bin, aber ich kann mein eigenes Fleisch nicht töten. Sie werden dich jagen für das, was du getan hast, und das mit Recht. Geh jetzt. Nimm mit, was du brauchst. Ich wende mich von dir ab als meinem Sohn. Du bist nicht länger ein
hosszú élet
. Du hast deine Wahl getroffen.
Kirekesztett!
» Das letzte Wort spuckte er förmlich aus, wie einen Fluch.
    Lukács starrte seinen Vater an. Mühte sich auf die Füße. Eine Hand am Hals, stolperte er aus dem Raum.
     
    «Balázs Jani wartet draußen, Gebieter.»
    Der
Főnök
atmete tief ein und stieß seufzend die Luft aus. Er spürte, wie sich seine Brust unter der Kleidung senkte. Eine Woche war vergangen seit seiner ersten Unterhaltung mit Balázs József. Als der Uhrmacher drei Tage später zum Stadthaus des
tanács
zurückgekehrt war, hatte er seinen Sohn nicht dabeigehabt und stattdessen eine Erklärung abgegeben, was geschehen war.
    Wieso József ohne weitere Untersuchung gleich von der Schuld seines Sohnes überzeugt gewesen war, hatte sie alle im ersten Moment irritiert. Andererseits war es auf seine Weise sehr aufschlussreich. Dass er den Jungen hatte entkommen lassen, würde Konsequenzen haben – Konsequenzen, die dem
Főnök
beinahe mehr zu schaffen machten, als er meinte, ertragen zu können. Die Ereignisse der letzten paar Tage waren die folgenreichsten in seiner gesamten Amtszeit, doch er war verantwortlich für die Sicherheit der
hosszú életek
. Er
musste
unparteiisch bleiben.
    Der
Főnök
saß am großen Tisch in der Kammer der
tanács
und neigte den Kopf zuerst nach rechts, dann nach links, um die beiden Ältesten zu begrüßen, die neben ihm saßen. Beide trugen die offizielle Kopfbedeckung aus Pferdehaar. Er spürte das Gewicht der Perücke auf dem eigenen Kopf. Kein Gefühl, das ihn irgendwie getröstet hätte. «Dann sind wir also einer Meinung?», fragte er.
    Pakov zu seiner Rechten räusperte sich. «Wir müssen dies tun, Gebieter. Ich fühle natürlich mit dem Jungen, doch es ist nicht nur die Tradition, die unser Eingreifen verlangt. Gefährliche Mächte erheben sich gegen uns. Die öffentliche Meinung dreht sich. Wir handeln nicht nur, um das Verbrechen eines Einzelnen zu bestrafen, sondern weil wir das Leben aller schützen müssen.»
    «Das Wohl des großen Ganzen», murmelte der
Főnök
. Er streckte die Hände vor sich aus und musterte das Geflecht von Adern, die Altersflecken, die Falten. Wie er das alles hasste! Wie lange diente er der Gemeinschaft schon in dieser Position? Alles würde bedeutungslos werden, wenn es ihm jetzt nicht gelang, das Massaker sicher zu umschiffen, das Balázs Lukács in seinem Kielwasser zurückgelassen hatte.
    Er atmete tief ein, spürte, wie die Luft seine Brust füllte, lauschte dem Rasseln in seiner Lunge, als würde sie durch staubige Korridore und vergessene Katakomben streichen.
    «Schick ihn herein», sagte er, an einen Wachmann gewandt.
    Die Tür wurde geöffnet, und Balázs Jani, der erstgeborene Sohn von József, betrat die Kammer. Er war dem Anlass entsprechend gekleidet: schwarzer Anzug, dunkles Hemd. Noch nicht ganz zum Mann gereift. Seine Augen verrieten seine Gefühle. Silberne Blitze auf grünem Untergrund. Angst vielleicht, durchsetzt mit Wut und Ärger. Scham.
    Jani näherte sich dem Tisch, die Hände an den Seiten, und verneigte sich tief. «Mein Gebieter, die edlen Herren.»
    Der
Főnök
mühte sich auf die Füße und streckte Balázs Jani die Hand entgegen.
    Jani hob überrascht die Augenbrauen. Er starrte mehrere Sekunden lang auf die angebotene Hand, bevor er sich nach vorn beugte, sie ergriff und küsste.
    Der
Főnök
setzte sich wieder. «Jani, ich bin froh, dass du gekommen bist.»
    «Sie haben mich gerufen, Gebieter. Was hätte ich sonst tun sollen?»
    «Ja, natürlich. Natürlich.»
    «Es geht um meinen –» Er stockte. «Es geht um den
kirekesztett

    «Das ist

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