Der Bann (German Edition)
Als er grinste, faltete sich sein Gesicht in etwas, das aussah wie die tiefgefurchte Rinde eines Baums, und in seinem Ausdruck war kaum noch etwas Menschliches zu erkennen.
Angst stieg in Jakab auf, raubte ihm den Atem und trocknete seine Kehle aus. Seine Füße erstarrten. Er wusste, wer dieser Mann war. Wusste, was dieser Mann war, obwohl er ihn nie gesehen hatte.
Der
Merénylő
des
Főnök
.
Jeder Machthaber und jeder Potentat hatten eine Kreatur wie den
Merénylő
. Ein Tier, das ausgeschickt wurde, um die unappetitlichen Missionen zu erledigen, die Aufgaben, die nichtsdestotrotz unerlässlich waren für den Erhalt ebendieser Macht. Das Arbeitspensum dieses Exemplars schien sogar sein Fleisch verdorben zu haben.
«Und damit, Balázs …», intonierte der
Merénylő
mit seiner hohen Singsangstimme, «… damit wären wir am Ende deines Weges angekommen. Du hast einen ziemlichen Tanz veranstaltet.»
Jakab suchte seine Umgebung ab. Seine Muskeln zitterten und bebten, und sein Mund war trocken wie Sägespäne. Zur Linken lag Buschland, zur Rechten befanden sich der Bootsschuppen und der Holzsteg. Auf der anderen Seite des baufälligen Schuppens noch mehr Buschland, das sich nach Norden hinzog, in Richtung Gyenesdiás. In seinem Rücken das leise ans Ufer schwappende Wasser des Sees und über allem eine dichte Wand aus Nebel.
Erna kniete immer noch vor ihm am Boden. Sie starrte den Reiter mit offenem Mund an.
«Steh auf», sagte Jakab zu ihr. Als sie nicht reagierte, wiederholte er seine Worte, drängender diesmal: «Erna,
steh auf
! Jetzt!»
Vielleicht bemerkte sie die Anspannung in seiner Stimme und seine Angst um sie, denn sie rappelte sich hastig auf und wich vor dem Reiter zurück.
«Wie rührend», kicherte der
Merénylő
. Er zupfte ein seidenes Taschentuch aus der Manteltasche und betupfte damit seine Oberlippe. «Sieht so aus, als hättest du diese hier noch nicht vergewaltigt, Balázs.»
Das Gestrüpp links von ihm schien am aussichtsreichsten für einen Fluchtversuch. Das Buschwerk war dicht und verfilzt, und während er sich einen Weg hindurchbahnen konnte, würde ein Reiter größere Schwierigkeiten haben. Er brauchte nur zwanzig Meter Vorsprung, bis der Nebel ihn verschlungen hatte. Wenn er nur Erna irgendwie in seinen Plan einweihen konnte – er würde sie ganz bestimmt nicht mit dem Assassinen des
Főnök
allein lassen.
Im Gestrüpp raschelte es, ein Zweig brach – unmittelbar hinter der Stelle, die er ausgeguckt hatte. Die Nebelbank wurde dünner und trieb auseinander, und Jakab erblickte einen zweiten Reiter, der sich durch das Gestrüpp näherte.
Der Neuankömmling sah Jakab an und grinste. Seine Zähne waren braun und verfault, die Augen ausdruckslos und leer. Kein
hosszú életek
. Obwohl er, nach seinem Aussehen zu urteilen, beinahe genauso gefährlich zu sein schien.
Der
Merénylő
drückte dem Pferd die Hacken in die grauen Flanken, und das Tier machte einen Schritt auf Jakab zu. Seine Hufe scharrten und kratzten über die nassen Steine. «Du möchtest fliehen. Ich kann das verstehen. Ich denke, du hattest eben beinahe den Mut dafür zusammen, bis die Feigheit dich übermannt hat.» Die elfenbeinfarbenen Flecken in den Augen des Assassinen waren verblasst, doch sein Grinsen blieb. «Ich halte dich nicht auf, Jakab. Nicht augenblicklich jedenfalls. Es war ein langes Rennen. Viel zu lang und viel zu langweilig die meiste Zeit über. Machen wir es ein wenig spannend, jetzt ganz am Ende, wollen wir? Wir wissen beide, wie es endet. Ich zerre dich tretend und schreiend und spuckend und beißend den ganzen Weg zurück bis nach Buda, und was von dir übrig ist, wenn wir dort angekommen sind, wird aufgeknüpft, aufgeschlitzt, ausgeweidet, in kochendes Wasser geworfen und an die Wölfe verfüttert. Na, wie gefällt dir die Vorstellung?»
«Erna.
Erna!
» Eine Stimme, panisch und körperlos, hallte dumpf durch den Nebel.
Erna stöhnte auf und ließ den Kopf hängen. «Hans, nein! Warum bist du hergekommen?»
Aus dem watteartigen Weiß stürzte ein junger Mann herbei. Er war größer und schlanker als Jakab. Attraktiv, wäre nicht sein Gesicht blass und wären seine Augen nicht vor Panik geweitet gewesen. Wenige Meter vor dem
Merénylő
kam er schlitternd zum Stehen. Sein Blick ging von den beiden Reitern über Erna zu Jakab. In den Händen hielt er eine Axt, mit der er nun herumwedelte. «Hierher, Erna. Komm weg da, sofort.»
Jakab legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Du bleibst,
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