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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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abtun. Du hast gesagt, du würdest auf mich warten.»
    «Ich dachte, du bist tot.»
    «Du hast gesagt, du würdest warten!» Er brüllte wieder, und sie wich vor ihm zurück. Er wollte nichts auf der Welt sehnlicher als sie in die Arme nehmen und ihr Gesicht küssen. Doch er widerstand dem Impuls und verschränkte krampfhaft die Hände ineinander. Das hier war die heikelste Unterhaltung seines Lebens. «Bitte, Erna … du musst mit mir reden. Ich … ich war lange Zeit weg. Mir war nicht klar, wie lange, und ich weiß nicht, warum. Erna, ich liebe dich. Das weißt du. Ich habe dich die ganze Zeit in mir getragen, die ganze Zeit, die ich weg gewesen bin. Ich weiß, dass du mich ebenfalls liebst. Mag sein, dass in der Zwischenzeit Dinge passiert sind, dass sich das Leben in der Zwischenzeit geändert hat, aber …»
    «Jakab, es tut mir leid. Ich kann jetzt nicht mit dir sprechen. Ich muss wirklich gehen. Ich muss Carl füttern. Ich muss das Essen für meinen Ehemann kochen.»
    Dieses Wort – Ehemann – verwundete ihn mehr als alles, was sie bisher gesagt hatte. Wie eine Zange, die sein Herz zusammenquetschte. «Dann komm später wieder. Am Abend.»
    «Das kann ich nicht.»
    «Erna, ich bestehe darauf …»
    Ihre Miene verdunkelte sich. «Hüte deine Zunge, Jakab! Du hast dein Recht, auf irgendetwas zu bestehen, vor langer, langer Zeit verloren.»
    Er stolperte rückwärts, die Hände ausgestreckt, Tränen in den Augen. Er starrte hinauf zum Himmel, schüttelte den Kopf, sah wieder zu ihr. «Bitte, Erna. Ich bin nicht hergekommen, um dich wütend zu machen. Ich mache alles falsch, ich weiß. Bitte, ich bin halb von Sinnen von unserem Wiedersehen. Ich flehe dich an, Erna, komm später noch einmal her. Lass mich dir alles erklären.»
    «Jakab, ich kann nicht. Verstehst du denn nicht? Ich kann nicht einfach in der Nacht aus dem Haus gehen und mich mit jemandem treffen. Ich habe dir gesagt, ich habe eine Familie, ich habe Verantwortung, einen Mann, den ich liebe.»
    «Du hast mich geliebt.»
    Sie stockte, und er spürte, dass seine Tränen sie ein wenig erweicht hatten. Ihr Blick war sanfter, auch wenn ihr Gesichtsausdruck so viel Mitleid verriet, dass es ihn zerriss. «Lass mir ein paar Tage Zeit», sagte sie. «Ich muss etwas arrangieren. Dann können wir reden.»
    «Das ist alles, was ich möchte.»
    Sie nickte. «Und das ist alles, was du bekommst, Jakab. Ich bin an jemanden gebunden. Ich habe ein Ehegelübde abgegeben, und weder du noch ich werden es brechen. Unsere Zeit ist vorbei. Es tut mir wirklich leid, dass es so gekommen ist. Ich habe zwei Jahre auf dich gewartet, Jakab. Zwei Jahre! Keinerlei Zeichen, dass du noch am Leben warst, kein Brief, keine Nachricht, nichts. Weißt du eigentlich, wie sehr ich um dich getrauert habe? Nein. Nein, du wirst es niemals wissen. Im Nordosten, eine Meile von hier am Ufer entlang, findest du einen alten Bootsschuppen mit einem Holzsteg. Du kannst ihn nicht verfehlen. Wir treffen uns dort, in drei Tagen. Bei Tagesanbruch.»
    «Ich verstehe.»
    Es war eine Lüge. Er verstand überhaupt nichts.
    Erna rückte ihren Sohn auf ihrer Hüfte zurecht und ging davon. Jakab sah ihr hinterher, bis sie im Nebel verschwunden war.
     
    Zurück in der Stadt, kaufte er eine Zeitung und sah auf das Datum: 24 . April 1879 .
    Er setzte sich auf eine Mauer und rechnete nach.
    Fünf Jahre.
    Er war
fünf Jahre
lang weg gewesen.
    Jakab ließ die Zeitung sinken und stöhnte. Er verbarg das Gesicht in den Händen. Wie hatte das passieren können? Wie hatte er
fünf Jahre
verstreichen lassen können, ohne zu erkennen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, welche Konsequenzen das für sein Leben in Keszthely haben würde? Sie hatte gesagt, sie hätte zwei Jahre auf ihn gewartet. Wenn sie nach Ablauf dieser Zeit jemanden kennengelernt und innerhalb eines Jahres geheiratet hatte, erklärte es das Alter des Jungen.
    Erna hatte einen Sohn. Einen Ehemann. Ein Leben ohne Jakab.
    Trotzdem. Trotz allem, was sie gesagt hatte, weigerte er sich zu akzeptieren, dass es zu spät war. Eine Liebe, so groß wie ihre, kam nur einmal im Leben. Er würde alles darauf setzen. Er hatte seinen eigenen Bruder getötet, um mit ihr zusammen sein zu können. Wenn sie das erfuhr, wenn sie begriff, was er auf sich genommen hatte, um mit ihr zusammen zu sein, würde sie zur Vernunft kommen.
    Es war ein Schock gewesen, das war alles. Er würde ihr die harten Worte verzeihen, die sie gesprochen hatte. Er hatte ihr

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