Der Bann (German Edition)
befand. Was er vielleicht nicht bedacht hatte, war die Wirkung, die seine Geringschätzung von Ernas Leben auf ihren Ehemann hatte. Hans hob die Axt, legte sich das Heft über die Schulter und machte einen lautlosen Schritt auf sein Pferd zu. Dann richtete er seinen Blick auf Jakab.
Jakab erwiderte den Blick verächtlich. Wie war es möglich, dass dieser Kerl, dieser Bauerntölpel, Ernas Herz gewinnen konnte? Jakab hätte darüber lachen können, wäre es nicht so eine Tragödie gewesen. Er hatte fünf Jahre geopfert und seinem eigenen Bruder das Leben genommen, bevor er nach Keszthely zurückgekehrt war, bereit, Erna mit sich zu nehmen und eine weit einfachere Existenz mit ihr zu fristen, als er sie andernfalls je akzeptiert hätte. Doch in der Zwischenzeit war dieser primitive Bauer dahergekommen und hatte alles gestohlen, wofür Jakab gearbeitet hatte. Schlimmer noch – er hatte sie mit
seinem
Samen besudelt, und sie hatte sein Kind geboren.
Jakab schob seine Finger um den Griff des Messers herum und wechselte die Haltung. Die Waffe stammte aus Österreich, geschmiedet aus einem einzigen Stück Stahl und so balanciert, dass sie von beiden Enden aus geworfen werden konnte. Er hatte so viele Stunden mit dem Schärfen der Klinge zugebracht, dass er es vorzog, das Messer mit dem Griff zu werfen. Die Gefahr, sich selbst zu schneiden, war auf diese Weise deutlich geringer.
Jakab konnte zwar nichts an der Tatsache ändern, dass Erna diesen Kerl liebte, doch er wollte verdammt sein, wenn er tatenlos danebenstand und zusah, wie ihm der bäuerliche Trottel seinen rechtmäßigen Platz neben ihr stahl. Er studierte Hans’ Gesicht, die lange Nase, den breiten Kiefer, die großen, ängstlichen Augen. So leicht einzuprägen war dieses Gesicht, so leicht, in seine Rolle zu schlüpfen. Wäre nicht der gedungene Mörder aufgetaucht, die Dinge hätten doch noch ein gutes Ende finden können. Jakab beobachtete, wie der Bauer einen weiteren Schritt machte, während seine Finger den Griff der Axt fester packten.
Der
Merénylő
drehte sich zu Hans um. «Mein Freund, denk nicht mal daran, dich in diese Geschichte einzu–»
Jakab zerrte Erna nach links, holte aus und schleuderte das Messer. Noch während die Klinge seine Finger verließ, erkannte er, dass er den Assassinen unterschätzt hatte. Der
Merénylő
bewegte sich, bevor seine Augen die Flugbahn der Klinge erfassen konnten. Er lehnte sich im Sattel weit zurück, während die Waffe in seine Richtung surrte.
Er drehte sich in einer fließenden Bewegung weg, und das Messer zischte durch die Luft, wo er gerade noch gewesen war. Als er wieder hochkam, hielt er die Armbrust im Anschlag. Hans sprang vor und wollte die Zügel des Pferdes packen.
Jakab stand wie angewurzelt da, als der
Merénylő
den Abzug betätigte. Er hörte ein
Flitsch
, als die Sehne, sich zusammenziehend, den Bolzen durch die Rinne beschleunigte. Er spürte den Einschlag des Projektils, bevor der Schmerz einsetzte, und die Wucht ließ ihn einen Schritt rückwärtstaumeln.
Hans schrie auf. Der
Merénylő
ließ die Armbrust fallen und riss das Schwert aus der Scheide. Der zweite Reiter brüllte und rammte seinem Pferd die Sporen in die Seiten.
Konzentriere dich auf den Schmerz
, ermahnte Jakab sich selbst.
Beiß die Zähne zusammen und erforsche seine Ränder. Zwinge die Wunde dazu, sich zu schließen. Knete das Fleisch wieder zusammen.
Er hoffte, dass der Armbrustbolzen nicht in seinem Körper stecken geblieben war. Das würde die Sache sehr viel schwieriger machen.
Hans stieß einen zweiten herzzerreißenden Schrei aus, schwang die Axt und vergrub die Klinge tief im Rücken des
Merénylő
. Die Augen des Assassinen drohten aus den Höhlen zu quellen.
Erna gab ein merkwürdiges Wimmern von sich.
Jakab drehte sich um. Der Armbrustbolzen hatte sich in ihren Kopf gebohrt, war direkt unter dem rechten Auge in den Schädel eingedrungen. Der Einschlag hatte Ernas Wangenknochen zerschmettert, wodurch die rechte Seite ihres Gesichts merkwürdig nach innen gewölbt war. Ihr Auge war eine blutige Masse. Flüssigkeit leckte zwischen ihren Lidern hervor und rann über ihre Wange.
Nur das Ende des Bolzens war noch zu sehen. Jakab konnte die Befiederung am Schaft erkennen. Ernas Unterkiefer sank herab, und aus ihrem Mund kam ein verstandloses, klackendes Geräusch. Sie zuckte und zitterte, ihre Zähne schnappten ins Nichts, und als Jakab sie losließ, kippte sie vornüber auf die schleimigen Planken des Stegs.
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