Der Barbar aus den Highlands
Fragen um jeden Preis vermeiden.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sir Edmund sich wegen meines Onkels Sorgen macht. Seit dem Tag, als mein Vater und Colin ermordet wurden, hat sich Angus MacReith nicht mehr um mich gekümmert. Er hat sich nur an mich erinnert, weil er jetzt am Ende seines Lebens steht.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Artan leise und sah, wie Schatten der Zweifel und Kränkung über ihr Gesicht huschten, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte. »Er sagt, dass er dir oft geschrieben und auch Geschenke gesandt hat, und außerdem hat er mehrmals darum gebeten, dass man dich nach Glascreag kommen lassen möge. Du hast gesagt, du habest ihm immer am Michaelitag geschrieben, aber er hat nie einen Brief von dir bekommen.« Er zuckte mit den Schultern. »Man fragt sich, warum zwei Leute versichern, solche Dinge getan zu haben, und keiner von ihnen erhalten hat, was für ihn bestimmt war.«
Cecily stand kurz davor, zu behaupten, ihr Onkel sei ein Lügner, doch sie brachte kein Wort heraus. Die Erinnerungen an ihn waren immer sehr deutlich gewesen, vor allem, weil sie im Zusammenhang mit dem tragischen Tod ihres Vaters und ihres Bruders standen. Alles aus dieser Zeit hatte sich fest in ihr Gedächtnis gegraben. Angus MacReith war so aufrichtig, dass er manchmal fast unhöflich wirkte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er lügen würde, was die Briefe an sie oder den Erhalt ihrer Briefe anging. Die Boten, die sie losgeschickt hatte, hatten ihr nie berichtet, dass sie unterwegs Ärger gehabt hatten, aber sie hatte sie auch nie danach gefragt.
Eine gewisse Panik stieg in ihr auf, und sie musste mehrmals tief durchatmen, um sich zu beruhigen. Selbst wenn es stimmte, dass Edmund und Anabel sie hintergangen und dafür gesorgt hatten, sie glauben zu lassen, ihr Onkel habe sie vergessen, musste der Rest von Artans Behauptungen noch lange nicht stimmen. Vielleicht wollten ihre Pflegeeltern ja nur nicht, dass sich ihr Onkel in ihre Erziehung einmischte?
Artan spürte, dass er sie mit seiner letzten Bemerkung zum Grübeln gebracht hatte. Eilig fuhr er fort: »Auch wenn ich mich schäme, es zugeben zu müssen, bin ich beim letzten Angriff nicht unversehrt davongekommen.« Er zog seinen Kilt hoch und zeigte auf eine Wunde an seinem rechten Oberschenkel. »Der Kerl wird keine Gäste von Dunburn mehr behelligen«, sagte er einigermaßen zufrieden. »Und dank des Angriffs konnte ich Thunderbolt am Bach zurücklassen, obwohl ich die Vorstellung gehasst habe, dass mich jemand für so töricht hält, mein Pferd verloren zu haben.«
Cecily starrte auf die Blessur – zweifellos eine Schwertwunde. Aber er hatte Glück gehabt, der Schnitt war nicht sehr tief, und die Wunde hatte sich bereits geschlossen. Selbst bei dem anstrengenden Ritt durch die Nacht war sie nicht wieder aufgebrochen.
Doch der Schock über seine Verletzung wich rasch der Erregung über den Anblick seines entblößten Beines. Trotz seines langen, dichten Haupthaars und der dunklen Schatten eines sprießenden Bartes war Artan nicht sehr behaart. Auf seinen langen Beinen war der Haarwuchs so spärlich, dass sich vor allem straffe Haut über harten Muskeln zeigte. Sogar seine Knie fand sie attraktiv. Es juckte sie in den Fingern, dieses lange, wohlgeformte Bein zu streicheln.
Als er den Kilt wieder nach unten zog, blinzelte Cecily und kämpfte gegen das Erröten an. Es würde offenbar eine ganze Weile dauern, bis sie die Anziehungskraft, die dieser Mann auf sie ausübte, überwunden hatte. Rasch lenkte sie ihre Gedanken wieder auf Angus und die Angriffe auf Artan in Dunburn. Mittlerweile hatte sie sich mehr oder weniger damit abgefunden, dass ihre Verwandten sich bemüht hatten, sie und Angus getrennt zu halten. Es konnte also auch gut möglich sein, dass sie ihr Bestes getan hatten, um Angus’ Gesandten loszuwerden. Schließlich wollten sie nicht, dass sie oder Artan zu viele Fragen stellten. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie den hinterhältigen Plan gefasst hatten, sie zu betrügen oder gar zu ermorden. Auf alle Fälle war Artan noch quicklebendig, was sie ihm auf der Stelle zu bedenken gab.
Artan seufzte, doch es gelang ihm, seinen Ärger über ihre anhaltenden Zweifel herunterzuschlucken. Sie hatte recht – dass ihre Pflegeeltern sie von Angus ferngehalten hatten, hieß noch lange nicht, dass sie zusammen mit Sir Fergus planten, sie zu ermorden und ihr Erbe zu behalten, ein Erbe, an das sie obendrein nach wie vor nicht recht
Weitere Kostenlose Bücher