Der Barbar aus den Highlands
einen Becher Wein einschenkte und ihr keinen anbot, sondern sich nur auf einen Stuhl setzte und sie beobachtete, vermutete Cecily, dass ihre rasenden Kopfschmerzen mittlerweile weniger damit zu tun hatten, dass sie niedergeknüppelt worden war, sondern vielmehr mit der Wut, die pochend durch ihre Adern schoss.
»Dürfte ich so unverschämt sein zu fragen, warum ich an einem Pflock festgebunden bin?«, fragte sie zähneknirschend.
Seine Augen weiteten sich erstaunt, offenbar wunderte er sich über ihren Zorn. Sein Erstaunen wuchs, als er sie etwas eingehender musterte. Cecily hätte es nicht gewundert, wenn aus ihren Augen Blitze geschossen wären. Offenbar hatte Sir Fergus das Gefühl, dass einer kleinen Maus große Fangzähne gewachsen waren und sie bereit war, ihm an die Gurgel zu springen. Sein Erstaunen über ihr unwirsches Verhalten sagte allerdings genauso viel über ihn wie über sie selbst aus. Bislang war sie ihm wohl immer als schwach und ängstlich vorgekommen, als leichtes Opfer. Das empörte sie am allermeisten.
»Ich konnte dich ja schlecht ungefesselt herumliegen lassen«, sagte er. »Dann hättest du zu deinem Geliebten zurückrennen können.«
»Ich habe keinen Geliebten«, erwiderte sie eisig.
Er sprang auf und schlug ihr mit dem Handrücken quer übers Gesicht, und zwar so heftig, dass sie zu Boden ging. Einen Moment lang blieb sie einfach liegen. Durch den schmerzhaften Schlag pochte nun auch noch ihr Gesicht, aber der Schock war schlimmer als der Schmerz. Es war nicht der Schock darüber, dass ein Mann eine Frau geschlagen hatte, sondern der Schock der Erkenntnis, dass Artan ihr die Wahrheit gesagt hatte.
»Bildest du dir etwa ein, ich hätte nicht vermutet, dass du diesen Highlander am Bach treffen wolltest?«, fauchte er und leerte seinen Becher in einem Zug. »Du hast dich wie eine Diebin mitten in der Nacht davongeschlichen, um es mit diesem Kerl zu treiben. Obwohl du mit mir verlobt bist, hast du dich von diesem Barbaren begrapschen lassen.«
Vorsichtig, weil sie Angst hatte, dass er sie wieder schlagen würde, setzte sich Cecily hin. »Wie habt Ihr herausgefunden, dass ich verschwunden war, und wohin ich mit wem gegangen bin?«
»Ich habe den Highlander bewachen lassen, und du warst nicht in deinem Zimmer.«
»Ihr seid in meine Schlafkammer eingedrungen?«
»Ich hielt es für angebracht, dich daran zu erinnern, dass du mit mir verlobt bist.«
Das führte ihr nur allzu deutlich vor Augen, in welcher Absicht er in ihre Schlafkammer gegangen war. In Cecily stieg Ekel auf. Sie hatte sich immer nach Kräften bemüht, den Gedanken abzuwehren, dass Sir Fergus als ihr Gemahl das Recht haben würde, ihr Bett zu teilen und ihren Körper einzufordern. Offenkundig hatte er beschlossen, mit der Einforderung dieser Rechte nicht länger zu warten. Cecily vermutete, dass das nicht viel mit Verlangen zu tun hatte, sondern vielmehr damit, einen Besitzanspruch auf sie zu festigen, der Artan vielleicht dazu bringen würde, sich von ihr abzuwenden. Als ihr einfiel, was ihr Artan über Sir Fergus und die junge Magd erzählt hatte, die der Schuft zu vergewaltigen versucht hatte, ging ihr auf, dass ihre Bereitschaft keine Rolle gespielt hätte. Und ihre Pflegeeltern hätten wohl auch nichts unternommen, um ihr zu helfen oder ein solches Vergehen zu rächen.
»Nun, dann ist es ja gut, dass ich nicht da war. Ich habe nämlich beschlossen, dass wir nicht mehr verlobt sind.«
»Du hast das beschlossen? Du kannst überhaupt nichts beschließen, du törichte Hure. Deine Pflegeeltern haben dich mir gegeben.«
»Schon seltsam, so sehr ich mich darum bemühe, ich kann nicht verstehen, warum sie ausgerechnet Euch gewählt haben. Ihr habt ihnen nicht viel zu bieten. Es standen bestimmt andere zur Auswahl, die ihnen weit mehr eingebracht hätten.«
»Aye, aber ich kann sie an den Galgen bringen.«
Sein selbstgefälliger Blick flößte ihr ebenso viel Angst ein wie die Erkenntnis, dass eine weitere von Artans Behauptungen der Wahrheit entsprach: Sir Edmund und Lady Anabel hatten ihren Vater und den armen kleinen Colin ermorden lassen. Wenn die alte Meg und ein paar tapfere Männer nicht Widerstand geleistet hätten, wäre sie mit dem Rest ihrer Familie umgekommen. Ein schwacher Trost war nur, dass die alte Meg nicht geahnt hatte, welch düsteres Geheimnis ihre Pflegeeltern hüteten; doch nun hatte sie das Gefühl, ihren Vater und Colin betrogen zu haben, indem sie mit deren Mördern unter einem Dach gelebt und
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