Der Barbar aus den Highlands
konnte MacIvors Gesichtsausdruck nicht sehen, weil der Mann angestrengt in seinen Becher starrte. Etwas ging hier vor, etwas, von dem Sir Fergus nichts ahnte, doch Artan schaffte es nicht, seine Gedanken soweit zu bündeln, zu erraten, worum es sich handelte. Seine Kraft schwand, und Intrigen wurden ihm immer gleichgültiger, was ihn ziemlich beunruhigte. Sein Augenmerk galt nur noch dem Zelteingang. Er wartete auf Cecily und hoffte, dass sie nicht allein kam.
17
W arum sitzen alle MacIvors vor dem Lager?«, fragte Cecily Bennet, der sie zu Sir Fergus’ Zelt begleitete.
»Keine Ahnung«, erwiderte er, doch dann grinste er. »Aber ich denke, was immer sie im Schilde führen – es wird zu unserem Vorteil sein.«
»Ich hoffe sehr, dass du recht hast. Ich kenne den genauen Plan meines Onkels nicht, aber ich vermute, jeder noch so geringe Vorteil wird ihm bei der Ausführung helfen.« Sie runzelte die Stirn, als Bennet am Eingang des Zeltes von zwei Ogilveys aufgehalten wurde, die ihm seine Waffen abnahmen, aber trotzdem keinen Zugang gewährten. »Er ist jetzt entwaffnet. Warum lasst ihr ihn nicht eintreten?«
»Nur Ihr sollt hinein«, erklärte der Kleinere der beiden.
»Nun geh schon«, meinte Bennet. »Es spielt keine Rolle. Wir sind nicht davon ausgegangen, dass sie mich mit dir eintreten lassen.«
Wieder einmal wünschte sich Cecily, sie hätte von Angus mehr über diesen Plan erfahren. Zögernd trat sie in das Zelt. Es dauerte ein Weilchen, bis sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, doch als es soweit war, forschte sie sofort nach Artan. Sobald sie ihn erblickte, fürchtete sie, dass sie in Ohnmacht fallen und Angus’ Pläne vereiteln würde. Artan war an Händen und Füßen gefesselt und angepflockt. Selbst in seiner zusammengekrümmten Lage sah sie, dass er mehrere Schwertwunden hatte und übel verprügelt worden war. Sie wollte zu ihm eilen, doch er schüttelte schwach den Kopf und brachte sie damit wieder zur Vernunft.
Als sie sich Sir Fergus zuwandte, merkte sie, dass er sie scharf musterte. Bislang hatte sie also erreicht, was Angus von ihr verlangte – sie hatte die ganze Aufmerksamkeit von Sir Fergus.
»Wie ich sehe, ist Eure Gastfreundschaft so ausgeprägt wie eh und je«, meinte sie gedehnt. Sie glaubte zu hören, wie MacIvor kurz auflachte, doch sie wagte es nicht, den Blick von Sir Fergus abzuwenden.
»Der Mann ist kein Gast, sondern ein Gefangener«, fauchte Sir Fergus.
»Ein Gefangener, den Ihr freilassen wolltet, sobald ich da bin. Nun, jetzt bin ich da, also lasst ihn frei.«
»Ich weiß nicht, ob ich das tun soll. Nay, zumindest nicht, solange wir uns noch auf dem Land der MacReiths befinden.«
Es war eine trügerische Hoffnung gewesen, dass er sein Versprechen nicht nur einhalten, sondern es auch ohne irgendwelche Tricks tun würde. »Wollt Ihr etwa wortbrüchig werden?«
»Natürlich nicht«, sagte er so rasch, dass sie wusste, dass er log. »Ich habe gesagt, dass ich ihn freilassen werde, aber ich habe nie gesagt, wann.«
Cecily warf einen flüchtigen Blick auf Laird MacIvor und sah, dass er leise nickte, als habe er soeben eine Antwort auf eine Frage oder die Bekräftigung einer Entscheidung erhalten.
»Das, Sir, ist nichts als eine niederträchtige List. Ihr wisst ganz genau, dass Ihr eingewilligt habt, Sir Artan sofort freizulassen.«
»Es ist nicht meine Schuld, wenn Laird Angus nicht schlau genug war, die Sache eindeutiger zu formulieren.«
»Ich glaube, Ihr habt Euch mit dem Mädchen geeinigt, nicht mit Laird Angus«, sagte Laird MacIvor scharf, erhob sich und lehnte sich lässig an den Tisch.
»Na gut«, knurrte Sir Fergus. »Dann war sie eben nicht schlau genug.« Er starrte Cecily böse an. »Warum bist du überhaupt so angezogen, als sei jemand gestorben?«
»Nicht jemand, sondern etwas. Ich trauere um all meine verlorenen Träume«, sagte sie mit stockender Stimme und seufzte ein wenig.
»Es wäre besser, wenn du nicht versuchen würdest, mich zu ärgern.«
»Sir Fergus, es gibt offenbar nicht viel, worüber Ihr Euch nicht ärgert.«
Cecily merkte, dass es ihr nicht schwer fiel, seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen; es reichte schon, ihn zu ärgern. Dennoch hoffte sie, dass Angus bald kam, denn wenn man Sir Fergus Ogilvey ärgerte, konnte man sicher sein, dass man bald niedergeschlagen wurde, und sie wusste nicht, ob Laird MacIvor dagegen einschreiten würde.
»Es sieht so aus, als habe MacIvor die Nase voll von Sir Kinnlos«,
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