Der Baron und die widerspenstige Schöne
aus“, entgegnete er. „Ich bin beeindruckt.“ Er rollte auf die Seite und stützte den Kopf auf seinem Arm ab. „Wann werden Sie nun nach unten kommen?“, fragte er lächelnd.
Die Fresken waren vergessen. Nur wenige Zentimeter war sein Gesicht von dem ihren entfernt. Sie überlegte, was wohl geschehen würde, wenn sie die Arme um ihn legen und ihn küssen würde. Der Wunsch, genau dies zu tun, war so überwältigend groß, dass sie erbebte. Welch verruchter Gedanke!
„Carlotta!“
Sie schreckte aus ihrem Traum, lag nicht länger neben Luke Ainslowe auf dem hohen Gerüst in Malberry Court, sondern saß wieder auf ihrem sanftmütigen Pony und ritt durch den Hyde Park. Die anderen Teilnehmer ihrer Reitgesellschaft waren schon weit voraus, und zu ihrem Entsetzen erkannte sie, dass Luke auf einem schlanken, langbeinigen Braunen neben ihr ritt. Heiße Röte überzog ihre Wangen. Hatte sie ihn durch ihre Erinnerungen etwa herbeibeschworen?
Nach ihrem Auftritt in Prestbury House hatte sie nicht damit gerechnet, dass er noch einmal versuchen würde, allein mit ihr zu sprechen. Sie war sich sicher gewesen, dass sie ihn gründlich vergrault hatte. Allein, hier war er nun an ihrer Seite, lächelte sie an und ließ ihr Herz erneut schneller schlagen.
„Wir hatten neulich keine Gelegenheit, uns ausführlich zu unterhalten.“
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Mylord.“
Sie trieb ihr Pony an, um zu den anderen aufzuschließen, doch Luke schnellte vor und fasste ihr Pferd am Zügel.
„Nicht so eilig, Carlotta. Lass mich nur einen Augenblick deine Gesellschaft genießen.“
Sie erstarrte. „Ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich mit meinem Vornamen anzureden.“
„Doch hast du, in Malberry, weißt du nicht mehr?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hege nicht den Wunsch, mich an die Zeit in Malberry zu erinnern.“
„Warum nicht?“, fragte er, während sein einfühlsames Lächeln die Schutzmauer durchdrang, die sie um ihr Herz errichtet hatte. „Hast du unsere gemeinsamen Nachmittage dort nicht genossen? Hast du vergessen, dass du versprochen hast, mich zu malen?“
Sie schaute unverwandt nach vorne. Natürlich erinnerte sie sich daran. Sie erinnerte sich an jedes Wort, das er zu ihr gesagt hatte. Und sie erkannte, dass sie ihn immer noch gerne malen würde. Es sollte aber kein gewöhnliches Porträt sein, so wie es üblich war, kein Bild, bei dem bedeutende Männer in ihrem Arbeitszimmer posierten. Nein, sie wollte ihn so malen, wie sie ihn in Malberry Court erlebt hatte, entspannt im Gras liegend. Für sein braunes Haar würde sie Umbra als Basis verwenden und mit einigen zarten Pinselstrichen die von der Sonne gebleichten Strähnen einfangen. Und seine Augen – nun, den Farbton würde sie leicht treffen können, denn sie glänzten wie polierte Haselnüsse. Doch würde es ihr auch gelingen, dieses gewisse Funkeln in seinem Blick einzufangen, das man immer sah, wenn er lachte?
Carlotta schaute abrupt zur Seite. Allein der Gedanke an die Zeit in Malberry wühlte sie auf, und sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Rasch zwang sie sich zu einer blasierten Miene und hob die Augenbrauen. „Sie wollen mich beauftragen, Mylord? Obwohl überall bekannt ist, dass Sie keinerlei Vermögen besitzen?“
„Das wird nicht immer so sein.“
Verächtlich verzog sie den Mund. „Nun, das interessiert mich nicht, da ich Sie ohnehin nicht malen werde. Ich muss mir meinen Lebensunterhalt nun nicht mehr verdienen.“
„Das mag sein, aber ich dachte, die Malerei sei deine Leidenschaft.“
Ihr gelang ein gekünsteltes, zwitscherndes Lachen. „Oh liebe Güte, nein. Das wäre höchst undamenhaft“, entgegnete sie bemüht affektiert.
Mit Genugtuung sah sie, wie sich seine Hand um die Zügel krampfte. Der Braune machte einen tänzelnden Schritt zur Seite.
„Was ist nur mit dir geschehen, Carlotta? In Malberry Court warst du … anders.“
Er musterte sie aufmerksam. Carlotta wusste, sie würde ihn ansehen müssen, doch sie wäre lieber gestorben, als ihm ihre wahren Gefühle zu offenbaren. Er war ein Frauenheld, das sagte ihr jeder. Er war ihre erste Liebe gewesen – ihre einzige Liebe – und er hatte ihr das Herz gebrochen. Aber das taten Frauenhelden nun mal, er würde sich nicht ändern. Es hatte Monate gedauert, bis sie neuen Lebensmut geschöpft hatte. Nur das Wissen, wie lieb sie ihren Eltern, ihrer Tante und ihrem Onkel war, hatte ihr die Kraft gegeben, weiterzuleben. Sie konnte nicht zulassen, dass
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