Der Baron und die widerspenstige Schöne
danach musst du schnellstmöglich nach Malberry Court zurückkehren. Nimm den kürzesten Weg, versprich mir das.“
„Natürlich, Mama. Aber es besteht überhaupt keine Gefahr, weil Luke bei mir ist.“
Sie zog Carlotta in ihre Arme und drückte sie fest. „Oh mein süßes Kind“, meinte sie leise. „Genau darin besteht ja die Gefahr!“
„Bist du nun, da du deine Eltern gesehen hast, beruhigt?“
Carlotta und Luke gingen durch den Park. Silbernes Mondlicht erhellte den Weg durch den Wald.
„Ja.“
„Dennoch bekümmert dich etwas.“
Sie schaute rasch auf, doch Lukes Gesicht lag im Schatten.
„Ist es denn so offensichtlich?“
„Für mich, ja.“
Sie seufzte. „Mama sagte, ich muss … Sie sagt, du kannst nicht mein Freund sein.“
„Damit hat sie recht. Deshalb wollte ich Malberry heute verlassen.“
„Und warum bist du zurückgekehrt?“
„Du befindest dich möglicherweise in Gefahr, wie hätte ich dich da verlassen können.“
Dieses Bekenntnis ließ Carlotta wie auf Wolken schweben, und sie griff nach seiner Hand. „Ich bedeute dir also doch etwas.“
„Ja.“
Er drückte ihr die Hand, und sie stürzte von ihrer Wolke auf den Boden der Tatsachen zurück, denn Mr. Woollatts Ring schnitt ihr in die Finger.
Auch Luke spürte Verzweiflung und Enttäuschung in sich wachsen. „Ich wünschte bei Gott, ich hätte mich ihr erklärt. Nun ist es zu spät.“ Ihm war nicht bewusst, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, bis er Carlottas tiefen Seufzer hörte.
„Mein Onkel hätte dies niemals geduldet. Er hält dich für leichtfertig und ungestüm, beides Wesenszüge, die er verabscheut. Außerdem ist Mr. Woollatt sehr viel reicher als du, nicht wahr?“
Luke zögerte. Sollte er ihr sagen, wie sehr er sie liebte? Welchen Zweck hatte es nun noch? Wenn sie wegen ihm die Verlobung mit Woollatt löste, würde man sie als leichtfertig beschimpfen. Sie würde von der Gesellschaft geächtet werden, würde Ansehen und gesellschaftliche Stellung verlieren. Das konnte er ihr nicht antun, denn er konnte sich nicht sicher sein, ob sie ihn später dafür nicht vielleicht hassen würde. Mit bemüht fröhlicher Stimme antwortete er deshalb: „Ja, Woollatt ist für dich in jeder Hinsicht ein besserer Mann als ich.“
Ihre kleine Hand erzitterte in der seinen, und er blieb stehen. Bei ihrem Anblick blutete ihm das Herz. Er nahm sie bei den Schultern und zog sie ins Mondlicht. Da sie den Blick abwandte, hob er ihr Kinn an In ihren Augen glitzerten Tränen.
„Oh, Liebling, bitte weine nicht.“ Er nahm sie in die Arme, spürte sie kurz erstarren, dann sank sie mit herzzerreißendem Schluchzen an seine Brust.
Er hielt sie fest, wiegte sie sanft und strich ihr beruhigend übers Haar. Ihr Kummer schmerzte ihn, doch gleichzeitig genoss er das Gefühl ihrer Nähe, ihre Berührung, die Tatsache, dass sie sich Trost suchend an ihn schmiegte. Sein Verlangen erwachte, aber er versuchte, dieses Gefühl zu ignorieren. Er legte den Kopf auf ihr Haar und atmete den frischen, blumigen Duft ein. Wenn er sie nur ewig halten könnte, wenn sie sich dem Morgen nur nicht stellen müssten. Wenn nur …
Inzwischen hatte sie aufgehört zu weinen und verharrte reglos in seinen Armen, den Kopf an seine Brust gelehnt. Er lockerte seine Umarmung und fasste in die Tasche.
„Hier“, sagte er und hielt ihr sein Taschentuch hin. „Mir wäre lieber, du trocknest deine Tränen damit als mit meinem Hemd.“
Ein ersticktes Lachen war die Antwort. „Danke.“ Sie hob den Kopf, lächelte flüchtig, aber als sie nach dem Taschentuch griff, zog er die Hand fort.
„Nein, lass mich das machen.“ Still stand sie da, den Kopf in den Nacken gelegt, während er über ihre Wangen wischte. „So, das ist besser.“ Er küsste sie auf die Nasenspitze. Stumm schaute sie ihn an. Ihre Augen glänzten so dunkel und tief wie Seen. Ihre Lippen, so voll und rosig, zogen ihn magisch an. Sanft verschmolzen seine Lippen mit ihrem Mund. Nur ein Kuss, sagte er sich, nur noch einen Augenblick des Glücks spüren, bevor ich sie für immer aufgeben muss.
Carlotta schloss die Augen, als sein Mund den ihren fand. Es war tröstlich, dass Luke ihr so nahe war. Ihre Arme glitten um seinen Nacken. Nur noch einen letzten kostbaren Augenblick mit ihm will ich genießen, sagte sie sich, einen Augenblick, an den ich in den trostlosen Jahren, die vor mir liegen, zurückdenken kann. Es war ihr letzter klarer Gedanke. Lukes Kuss wurde intensiver,
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