Der Bastard von Tolosa / Roman
Grabstein und hinterließ einen kleinen roten Fleck darauf. Sie küsste den kühlen Stein und flüsterte: »Hier hast du etwas von mir, Mama. So können wir uns immer finden und miteinander reden.«
Der Gedanke schien sie froh zu machen.
Wir falteten die Hände und baten Gott, Noura in seine Obhut zu nehmen. Ich dankte der Heiligen Jungfrau für Adelas Leben und erneuerte mein Gelöbnis, eine Kapelle zu errichten. Still versprach ich der Seele meiner toten Frau, in Zukunft besser für unsere Tochter zu sorgen. Dann verabschiedeten wir uns stumm von Noura. Ich drückte
Paire
Georgios’ Hand und bat ihn, sich gut um seine Gemeinde zu kümmern, und sicherte ihm Hilfe zu, um das Dorf wieder aufzubauen.
Eine letzte Nacht würden wir auf meinem Gut verbringen, dann zurück nach Tripolis. Ich pfiff nach den Hunden, wir saßen auf und ritten los. Schweigend sahen uns die Dorfbewohner nach. Noch vor Sonnenuntergang würden sie ihre Toten begraben.
Ende eines Gotteskriegers
Sancta Galla, Patronin der Witwen
Quarta Feria, 6. Tag des Monats April
E s heißt, die Zeit heilt alle Wunden.
Das ist nicht immer wahr, denn an vielen geht man elendig zugrunde, an leiblichen wie auch an denen des Herzens. Besonders an Schwären, die durch stetig träufelndes Gift genährt werden. Nouras Verlust war ein schrecklicher Schlag, eine tiefe Wunde. Sie würde mit der Zeit jedoch heilen. Aber da war noch etwas anderes. Meine Gleichgültigkeit und Kälte, von der Hamid gesprochen hatte, waren nur die äußeren Zeichen einer kranken Seele, so wurde mir langsam klar. Sie bildeten eine Art Schutzwall, ohne den ich meine innere Trostlosigkeit nicht einmal mehr vor mir selbst hätte verbergen können. Nouras Liebe hatte diese Schmerzen gelindert, ja zeitweilig vergessen lassen, aber mit ihrem Tod war ich in haltlose Schwermut gestürzt, gleichgültig gegenüber allem, sogar meinem Kind.
Seit Tagen dämmerte es mir, dass es die vierzehn Jahre Krieg waren, die an mir nagten. Ich war Krieger,
capitan de cavalaria.
Von mir wurden Stärke und Abgebrühtheit erwartet. Wie sollte ich sonst Männer führen? Meine Abscheu gegenüber sinnloser Gewalt hatte ich deshalb unterdrückt. Doch es hatte stetig an mir gefressen, in die schreckgeweiteten Augen der Kinder und Alten zu blicken, der Jammer der Verwundeten, die trostlose Endgültigkeit des Todes, die einen beim Anblick der reglosen Leichen überfällt. Als es mich endlich selbst betraf und ich Noura so liegen sah, da war es, als habe der Scherer die Nadel an das überreife Geschwür gesetzt, als habe der innere Druck den ganzen angesammelten Dreck aus dem Krater meiner Seele geschleudert. So groß der Schmerz dabei auch gewesen war, ihm folgte Erleichterung.
Ich begann, gewisse Dinge klarer zu erkennen. Entscheidungen standen an, das spürte ich, auch wenn mein Weg noch im Dunkeln lag. Bertrans Pläne spukten mir im Kopf herum, ebenso wie Odos Brief. Doch zunächst war es an der Zeit, mich um meine Tochter zu kümmern. Für den Rest vertraute ich auf Gottes Fingerzeig.
Als wir die Festung erreichten, nahm uns Euthalia in Empfang und wiegte das Kind weinend an ihrem Busen. Sie machte mir schwere Vorwürfe über meine Nachlässigkeit, die ich gesenkten Hauptes hinnahm. Nachdem sie sich beruhigt hatte, mussten wir uns mit Arnaud und ihrer ganzen Brut an den großen Tisch setzen, ebenso wie Guilhem, Severin und Hamid, und uns satt essen.
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagen verliefen die nächsten ruhig. Adela und ich nahmen langsam Abstand von den qualvollen Ereignissen und begannen, uns an die neue Wirklichkeit zu gewöhnen. Nachts schlief sie noch unruhig und wurde von Alpträumen gequält. Tagsüber redete sie unablässig von allem, was ihr in den Kopf kam, mit Vorliebe von ihrer Mutter. Das war ihre Art, mit dem Verlust umzugehen.
Ich dagegen war eher still und nachdenklich, das heißt, wenn ich nicht Adela zuhörte. Hier war ein junges Menschenkind, von Nouras und meinem Blut. Ihre aus dem Augenblick geborenen und oft einfallsreichen Gedanken überraschten und vergnügten mich.
Sie war dunkelhaarig wie Noura, hatte meine Locken geerbt, dazu dunkelbraune Augen, eine matthelle Hautfarbe, schlanke, gerade Nase und volle, rosige Lippen. Ich fand sie ausgesprochen hübsch, wenn auch ein wenig zu dünn. Darüber machte ich mir Sorgen und bestand darauf, dass sie mehr aß. Vielleicht war es ihre lebhafte Natur, denn das Kind war immer in Bewegung. Sie war neugierig und für alles offen, gab
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