Der Bastard von Tolosa / Roman
alles?«
»Der Kerl will Berta heiraten.«
»Berta heiraten?« Mir stand vor Überraschung der Mund offen. »Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Ehe aufgelöst wurde.«
»Noch nicht«, sagte er. »Aber da es nie ein Lebenszeichen von dir gab. Alle Welt glaubt dich seit langem tot. Es hat auch schon andere Brautwerber gegeben. Bisher wurden sie immer abgewiesen. Diesmal ist es anders.«
»Was ist anders?«
»Weil Berta bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt.«
»Mein Gott, rede schon, Mann! Muss man dir alles brockenweise aus der Nase ziehen?«
»Ich hab es dir doch gesagt. Sie hat sich vom Kloster große Summen geliehen. Die Vorratskammern sind leer, es ist noch weit bis zur Ernte, und es gibt Familien, die hungern bereits. Mir geht es noch besser als den Hörigen und kleinen Pächtern. Berta ist besorgt. Ihre Söhne kann sie nicht standesgemäß erziehen und ausrüsten. Und was soll aus uns allen werden, wenn die Pfaffen ihr Darlehen einfordern?«
»So schlimm steht es?«
»Schlimmer.«
»Und der Kerl ist natürlich reich.«
»So sieht es aus. Hatte sie also eine andere Wahl?«
»Wie kann sie ihn heiraten?«
»Was weiß ich?«, rief Drogo. »Vielleicht lässt sie dich von der Kirche für tot erklären.«
Ich war wie vom Donner gerührt. Und Hamids belustigter Blick machte mich nur noch zorniger.
»Das wollen wir doch mal sehen!«, schrie ich und gab Ghalib, entgegen meiner sonstigen Art, so heftig die Sporen, dass das arme Tier erschrocken einen Satz nach vorn machte und die Anhöhe hinuntergaloppierte. Drogo und Hamid jagten hinter mir her. Ich war aufgebracht, wütend, fühlte mich schändlich hintergangen. Ich würde Berta zur Rede stellen, den Gecken hinauswerfen und dem Treiben ein für alle Mal ein Ende machen. Aber nach kurzer Strecke zügelte ich den Hengst und zwang ihn zum Schritt. Ich atmete tief durch. Es war besser, erst einmal klar zu denken.
»Der hat da eine ansehnliche Begleitmannschaft, oder?«, fragte ich Drogo, als meine Freunde mich eingeholt hatten.
»Üble Raufbolde, wenn du mich fragst. Es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn die auftauchen.«
»Und Berta hat sechs Wachleute auf der Burg.«
»Die sind in Ordnung.«
Wir waren am Morgen ohne Waffen ausgeritten. Mehr als ein Messer trug keiner von uns am Gürtel. Es hatte keinen Grund gegeben, sich mit Kriegsgerät zu beschweren. Berta heiraten? Mein Gott, da bin ich keinen Tag zu früh aus Outremer heimgekehrt. Es war hohe Zeit, die Dinge hier zu ordnen.
»Auf die Mannschaft der Burg können wir nicht zählen. Wir drei sind unbewaffnet, Brun und Jaume wahrscheinlich ebenso. Also sollten wir besser keinen Streit vom Zaun brechen, oder?«
»Nein, nicht empfehlenswert«, bestätigte Drogo grimmig.
Ich fluchte leise. »Wie wird Berta sich verhalten?«
»Sie wird das Rechte tun«, sagte er mit Überzeugung.
»Auch, wenn ich ihr so offensichtlich im Weg stehe?«
»Wie denkst du denn von ihr?«, fragte er entrüstet.
Darauf wusste ich keine Antwort. Natürlich verstand ich, dass Drogo ihr die Treue hielt. Es ehrte ihn. Doch was sollte man von einer Frau halten, die mir seit Tagen mein Heim und Erbe verweigerte. Sie stand doch gewiss mit ihrem Werber im Bunde.
»Es hol mich der Teufel«, knurrte ich schließlich. »Sie mögen in der Überzahl sein. Aber davonschleichen werde ich mich nicht.«
»Was hast du vor?«, fragte Hamid ruhig. Das Gute an ihm war, dass er immer einen kühlen Kopf bewahrte.
»Wir werden uns unbemerkt dem Dorf nähern. Lasst die Hengste außer Sicht, die sind zu auffällig. Ich stelle mich unter die Leute, um zu sehen, was geschieht.« Ich überlegte weiter. »Hamid. Finde Brun und Jaume! Bewaffnet euch, aber bleibt im Hintergrund. Tut so, als wäret ihr Teil der Burgmannschaft. Alexis soll meine Waffen bereithalten. Drogo, du warnst heimlich Männer aus dem Dorf und wappnet euch mit dem, was ihr so habt.«
»Ist das klug?«, fragte Drogo. »Ein offener Kampf …«
»Ich suche keinen Kampf«, unterbrach ich ihn. »Aber wir sollten nicht unvorbereitet sein.«
Sie nickten beide ihre Zustimmung.
Wir gaben den Pferden die Sporen und machten uns auf den Weg, ohne zu ahnen, dass dies der Beginn von Verstrickungen war, die zu einem erbitterten Kampf um Rocafort führen würden.
Niemand hätte es verhindern können, denn mit der Ankunft dieses fremden Edelmannes war, wie man so schön sagt, der Gaul aus der Scheune, die Katze aus dem Sack und der Fuchs unter den Hühnern.
Der
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