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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Brautwerber
    Sanctus Hubertus, Patron der Jäger und Bogenschützen
    Sexta Feria, 3. Tag des Monats Juni
    U m nicht den Verdacht der fremden Reiter zu erregen, machte ich betont gemächlich meinen Weg durch das Dorf.
    Dabei kam mir gelegen, dass ich am Morgen ein einfaches Bauernhemd übergestreift hatte und Drogos geflickte Beinkleider trug. Meine anderen Sachen lagen irgendwo in einem Waschtrog. So fiel ich unter dem Dorfvolk nicht auf und konnte mich unbemerkt in die Menge auf der Wiese drängeln, wo livrierte Bedienstete beschäftigt waren, zum Schutz vor der Sonne einen großen Baldachin aus besticktem Leinenstoff zu errichten. Die fremden Reiter, etwa ein Dutzend, standen in einer Gruppe und blickten geringschätzig auf unsere Dörfler, die das Geschehen neugierig begafften. Bauern waren eilig vom Feld gekommen und trugen noch Spaten oder Rechen in der Hand. Den Frauen hingen die Kinder an den Röcken. Die Dörfler warfen mir neugierige Blicke zu, und ich musste wiederholt verstohlene Zeichen machen, bis alle taten, als gäbe es mich nicht. Von Adela konnte ich nichts entdecken.
    Drogo hatte recht, die fremden Kriegsknechte sahen nicht nur wie hartgesottene
soudadiers
aus, sondern verbreiteten in der Art ihres Auftretens ein spürbares Gefühl von Bedrohung. Besonders ein riesiger Kerl unter ihnen, der wie ein fleischgewordener Alptraum aussah. Die meisten trugen Lederpanzerung, zwei von ihnen Kettenhemden. Die Schilde hingen am Sattel ihrer Reitpferde, die einige Schritte weiter von Pferdeknechten am Zaum gehalten wurden. Sie schienen also keine Schwierigkeiten zu erwarten und ahnten nichts von meiner Gegenwart. Das Wappen in den Farben Grün und Flieder auf dem Baldachin und der Kleidung der Bediensteten kam mir bekannt vor. Plötzlich durchfuhr es mich. Natürlich! Die Reiter, denen wir unterwegs nach dem Hügel der Gehenkten begegnet waren, sie hatten Wimpel mit diesem Zeichen getragen, ein Schwert in eiserner Faust unter einer Burgzinne.
    Drei sehr ungleiche Gestalten standen etwas abseits und unterhielten sich leise, während sie die Arbeit der Dienstleute im Auge behielten.
    In einem erkannte ich den Kerl mit der Augenklappe, augenscheinlich war er der Anführer der Söldner. Der Zweite musste der geheimnisvolle Brautwerber sein, obwohl er mir den Rücken zukehrte. Ich hatte vergessen, Drogo nach seinem Namen zu fragen. Der Dritte war ein schlaksiger Halbwüchsiger, gut gekleidet, aber mit von der Reise staubigen Stiefeln. Der Mann fuhr dem Jungen mit der Hand durch die dunklen Locken. Sie lachten. Offensichtlich verstand man sich gut.
    Dann waren die Dienstleute fertig, und zwei Feldstühle wurden unter den Baldachin gestellt. Der Mann, den ich für den Brautwerber hielt, drehte sich um und ließ sich in einen der Stühle fallen. Wie durch Zauber erschienen ein kleiner Falttisch neben ihm, ein paar schön geformte Kelche und eine Karaffe mit Wein, aus der man ihn bediente.
    Er war beileibe kein kleiner Mann, hatte ein glattrasiertes, fleischiges Gesicht und trug sein dichtes, schwarzes Haar, das unter einer mit Goldfäden bestickten Samtmütze hervorschaute, bis auf die Schultern herab. Er war überhaupt sehr kostbar gekleidet, trug keinen Panzer, nur ein langes Schwert an einem goldverzierten Gürtel. Der war kein Kriegsmann, dachte ich. Dazu erschienen seine beringten Hände zu weich, und es fehlten die harten Muskeln eines kampferprobten
cavaliers.
Dennoch schien er Respekt zu verbreiten. Kein Mann, den man unterschätzen sollte. Zurückgelehnt auf dem Feldstuhl, betrachtete er gleichmütig oder eher gelangweilt das Landvolk um ihn herum.
    Ich fragte mich schon, was all dies Getue auf der Wiese darstellen sollte, da ging ein Raunen durch die Menge, und Finger deuteten zur Burg hinauf. Sie hatten das Tor geöffnet, und über die Zugbrücke schritt Berta, diesmal zu Fuß, langsam, in würdevoller Haltung und in Begleitung eines Knaben, der an ihrer rechten Seite ging. Ihnen folgten Mägde und vier mit Speeren bewehrte Wachleute in ihren einfachen Waffenröcken.
    Während sie sich näherte, starrten aller Augen auf Berta und ihr kleines Gefolge. Sie hatte sich festlich ausgestattet, trug ein hochgeschlossenes, langes Unterkleid aus hellblauem Leinen, die Borten mit aufwendigen Stickmustern besetzt. Darüber ein langer Samtumhang von dunkelblauer Farbe, dessen endlose Schleppe von den zwei ebenfalls festlich gekleideten Mägden getragen wurde. Auf dem Kopf schließlich einen weißen, von einem verzierten

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