Der Bastard von Tolosa / Roman
Oder war ich nach Roberts Besuch allzu misstrauisch geworden?
»Und wie leben die Frauen in Eurem Land?«, hörte ich Berta am anderen Ende der Tafel zwitschern.
Hamid lächelte vorsichtig. »Nun«, sagte er. »Frauen sieht man weniger auf den Straßen als bei Euch Franken. Sie beschränken ihre Anwesenheit auf das Haus. Besonders die aus guter Familie.«
Berta stutzte. »Sie dürfen das Haus nicht verlassen?«
»Es wird nicht gern gesehen.«
»Haltet Ihr sie etwa in Käfigen?« Sie lachte über ihren Scherz, aber dann bemerkte sie, dass Hamid verlegen geworden war. »Nein! Im Ernst?«
»Natürlich nicht«, beeilte er sich zu sagen. »Es fehlt ihnen außerdem an nichts, denn ein Mann ist gehalten, sich gut um seine Frauen zu kümmern. Der Prophet selbst hat gesagt …«
»Frauen, sagtet Ihr?«, unterbrach Berta ungläubig. »Ein Mann hat mehr als eine?« Ein Raunen ging um den Tisch. Nun hörten wieder alle zu.
»Vier«, antwortete Hamid lahm. »Der Prophet erlaubt vier Frauen. Aber die wenigsten …«
»Manche haben sogar mehr«, warf ich ein. »Besonders die Türkenfürsten. Da leben die Frauen in abgetrennten Bereichen, die man
haeraem
nennt, und werden streng bewacht.«
»Bei allen Heiligen«, rief Berta und bekreuzigte sich. Sie war entsetzt, dass es Frauen gab, die ihre Männer mit anderen Weibern teilen mussten. »Lieber würde ich ins Kloster gehen«, hörte ich sie kopfschüttelnd murmeln. Auch Joana machte eine finstere Miene. Hamid warf mir einen ärgerlichen Blick zu, und ich konnte nicht anders, als laut zu lachen.
»Es stimmt zwar, was Jaufré sagt«, versuchte Hamid, die Dinge ins rechte Licht zu rücken, »aber das sind Ausnahmen. Die meisten Männer haben nur eine Gemahlin, so wie Ihr Franken auch.«
»Mir scheint, Ihr
sarasins
seid ein schlechter Einfluss«, bemerkte sie spitz und starrte mir, nicht ohne einen schnellen Seitenblick auf Adela, herausfordernd in die Augen. »Denn auch unter uns gibt es neuerdings Männer, die der Vielweiberei frönen.«
Diesmal war es Hamid, der mich auslachte. Berta setzte nach. »Und die Kinder aus solchen Verbindungen, wachsen die alle kunterbunt durcheinander auf?«
Ah! So sah sie das also. Für sie war Adela nichts weiter als ein Kuckucksei, das ich ihr ins Nest legte. Ich biss mir aber auf die Zunge, denn es war nicht der rechte Augenblick, mit ihr zu streiten. Gottlob blieb dies der einzige unangenehme Wortwechsel während dieses sonst so einträchtigen Abendmahls. Ich hatte das Gefühl, dass Berta sich bemühte, ihr rüdes Verhalten der ersten Tage vergessen zu machen. Auch die Sache mit Borcelencs musste ihr peinlich sein, selbst wenn sie es nicht zur Sprache brachte.
Die Mägde trugen den Nachtisch auf. Es gab in Wein eingelegtes Trockenobst mit süßem Rahm übergossen. Das war nach Adelas Geschmack, und sie erbat sich einen Nachschlag. Berta selbst füllte ihr den Teller, als wolle sie ihre frühere Bemerkung wiedergutmachen, und ließ noch eine goldfarbene, triefende Honigwabe aus der Küche kommen.
»Iss, mein Kind!«, sagte sie gutherzig. »Dank deinem Vater gibt es nun alles im Überfluss.« Sie hob ihren Weinbecher und trank mir zu.
Es war eine freundliche Geste, aber ihr Blick enthielt wenig Wärme. Adela dagegen schien sich wohl zu fühlen. Kein Wunder, denn Joana hatte sich den ganzen Abend um sie gekümmert und ihr kleine Leckerbissen in den Mund geschoben. Außerdem schien sie in Martin eine Eroberung gemacht zu haben, denn der ließ keine Gelegenheit aus, ihr zuzulächeln, obwohl er sich noch kaum traute, mit ihr zu reden.
Man brachte frisches Wasser für die Handbecken und weiche Tücher zum Trocknen. Eine der jungen Mägde, die uns bedienten, war ein allerliebstes Geschöpf von vielleicht achtzehn Jahren. Sie hatte eine reine, weiße Haut und rote Wangen, dunkles Haar zu einem langen Zopf geflochten, der ihr den Rücken hinab bis auf die Hüften fiel. Sie schien bei allen beliebt zu sein, und bei ihrem freundlichen Wesen und engelhaftem Lächeln war dies nicht verwunderlich.
Diese Magd war dabei, die Tafel abzuräumen, als Berta sich erhob und sie bei der Hand nahm. Gleichzeitig rief sie nach Gustau, dem jungen Jäger. Da wurde getuschelt und gelacht. Das Mädel wurde rot, fuhr sich befangen übers Haar, lächelte jedoch in fröhlicher Erwartung.
»Jetzt hat sie ihn wohl endlich rumgekriegt«, grinste Drogo.
Die Männer klopften mit den Bechern auf die Tafel, und vereinzelt ertönten Rufe wie »nimm doch lieber mich,
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