Der Bastard von Tolosa / Roman
Rosa!« oder »ich bin noch zu haben,
mon cor!
«. Dann riefen alle ihren Namen, »Rosa, Rosa, Rosa!«, bis Gustau die Stiege von der Küche erklommen hatte und atemlos, vom Lärm überrascht, in der
aula
auftauchte. Berta fasste auch ihn bei der Hand.
»Rosa und Gustau haben sich das Jawort gegeben«, rief sie zu lautem Jubel in die Runde. »Rosas Vater hat sich lange geziert, doch nun hat auch er zugestimmt. Nach der Ernte feiern wir Hochzeit!«
Frisch gefüllte Weinkrüge erschienen, es wurde lautstark auf das Wohl des jungen Paares getrunken, Rosa musste ihren Bräutigam küssen, und die Gesellschaft wurde immer ausgelassener. Schließlich holte Jaume seine Laute und gab Volksweisen zum Besten, in die alle herzhaft einstimmten. Er hatte eine gute Stimme, und ich bemerkte, dass er die Blicke der jungen Mägde auf sich zog.
Ich selbst sagte nicht viel, aber genoss den Abend.
Es war schön, die fröhlichen Gesichter zu sehen. So hatte ich mir die Heimkehr vorgestellt. Schmerzlich wurde mir bewusst, wie lange ich all dies vermisst hatte. Hier war ich endlich wieder unter den Meinen. Die rauhe Soldatengemeinschaft kann das nicht ersetzen. Nichts ist wichtiger als der Zusammenhalt der
familia.
Jeder weiß es, jeder sagt es. Und doch hatte ich nicht danach gelebt. Ich hatte die Familie mit Füßen getreten.
Bei uns umfasst das Wort weit mehr als nur der enge Kreis nächster Verwandtschaft. Denn zur
familia
gehören alle, die dem
dominus
nahestehen, unter seinem Dach wohnen, von seiner Gunst leben oder ihm sonst in irgendeiner Weise verpflichtet sind. Ob Waffenmeister oder Ritter, Knappen aus verbündeten Familien, Gesinde, Handwerker, Stallburschen, leibeigene Bauern oder freie Pächter, sie alle bilden durch Blutsbande, Treueschwur oder Pachtverpflichtung eine enge Lebensgemeinschaft. Die Achtung überlieferter Regeln und Gebräuche, die Gerechtigkeit des
dominus,
Gehorsam und Treue ebenso wie Gemeinsinn und Eintracht, das sind die Grundpfeiler dieses Zusammenlebens. Und was die Gemeinschaft stark macht, ist nicht zuletzt die Liebe ihrer Mitglieder untereinander. Als Hort der Geborgenheit für die Schwachen und Quelle der Kraft für die Starken bedeutet die
familia
Schutz, Ordnung und Wohlstand. Ohne sie ist der Mensch nichts weiter als ein Tier, anderen wilden Tieren schutzlos ausgeliefert.
So liefen meine Gedanken, während ich Berta beobachtete, wie sie beschwingt am anderen Ende der Tafel redete. Wenn man es recht bedachte, hatte sie allein die Familie zusammengehalten, genau wie Cecilia vor ihr. Ich sollte ihr dafür dankbar sein. Mein unerwartetes Erscheinen hatte einen ziemlichen Wirbel verursacht. Nun sollten wir den Ärger der letzten Tage vergessen und die alten Gegensätze zwischen uns klären. Vor allem um Raol musste ich mich kümmern. Ich würde versuchen, ihn für mich zu gewinnen.
Drogo stieß mich an. »He, Jaufré! Du bist so still.«
»Ich bin noch ganz benommen, mein Freund, hier zu sitzen und mit euch zu feiern!«
Er drückte meine Hand, und wir tranken uns zu. Dann stand ich auf und bat um Aufmerksamkeit.
»Ich danke Berta für diese Einladung und trinke auf ihre Gesundheit!« Sie ließen Berta hochleben und leerten zu ihrem Wohl die Becher. »Und nun wollen wir meine Heimkehr feiern.«
Ich rief nach Alexis und Cortesa und bat sie, die Satteltaschen hereinzubringen, die wir vorbereitet hatten, denn zur Heimkehr des
dominus
gehörten schließlich Geschenke und Gaben. Unter erwartungsvollem Raunen und Tuscheln wurden Teller und Schüsseln von der Tafel geräumt.
»Bald werden wir hier eine Kapelle bauen«, eröffnete ich ihnen als Erstes und unter allgemeiner Freude. Ich nahm Euthalias Ikonenbild zur Hand und entfernte vorsichtig die schützende Hülle. »Dieses Marienbild kommt aus Konstantinopel, der größten Stadt der Welt, und wir werden es in eine Altarnische hängen, damit alle die Heilige Jungfrau sehen und anbeten können.«
Sie bestaunten die mit klaren Linien gezeichneten Figuren, die kräftigen Farben und das pure Blattgold des Heiligenscheins der Jungfrau und des Kindes. Ich zwinkerte Adela zu, die wusste, woher das Bild stammte. Nachdem sich alle daran sattgesehen hatten, nahm ich einen in Rot- und Goldtönen gehaltenen, kostbar bestickten Schal aus meinen Satteltaschen, den ich vorsichtig entfaltete und in seiner ganzen Länge und Breite vor Berta ausbreitete.
»Dieses Stück kommt aus einem Land, das man Indien nennt«, erklärte ich ihr. »Ein seltenes Gewebe, feinste
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